21/5  Humbel, Forts.

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:08

eBalance-Mitstreiter Magerbaum hat in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Eintrag gefordert, NR Ruth Humbel Naef solle so rasch wie möglich den kompletten Wortlaut ihres Diskussionsbeitrags zum Thema Adipositas-Prophylaxe öffentlich zugänglich machen. Das hat sie getan: auf ihrer Website ist der integrale Wortlaut aufgeschaltet, unter der Überschrift Was ich zu Übergewicht wirklich gesagt habe.

Das ist gut so, denn nun kann man sie formell beim Wort nehmen und auch einzelne Argumente und Formulierungen kritisch hinterfragen. Wobei – das soll gleich zu Beginn gesagt sein – es mir nicht um die Ausweitung der Kampfzone geht, sondern um einen möglichst konstruktiven Dialog, so er denn zustande kommen möchte. – Aber es juckt mich doch, ein paar Zitate hier aufzuführen und – vorsichtig – zu kommentieren. Vielleicht liegt das Problem am Ende auch bei meinem Ex-Kollegen Urs P. Gasche, der das Interview geführt und geschrieben hat… Also:

Die vielen Diabetiker können viele Medikamente absetzen, wenn sie sich mehr bewegen und mehr Salate statt Pommes Frites essen. – Das ist jetzt wirklich ein schlimmer Satz, denn er wirft „die vielen Diabetiker“ (also alle, ohne Ausnahme) in einen gemeinsamen Topf und unterstellt ihnen pauschal, sie würden alle täglich statt Salat nur Pommes hinunterschlingen… haben Sie das wirklich so gemeint, Frau Humbel?

Aber die Menschen kommen nicht als Süchtige zur Welt, sondern werden erst nach einer längeren Phase süchtig… – Irrtum, Frau Humbel. Infolge fehlender Aufklärung kommen heute viele Kinder mit einer bereits angeborenen Essstörung zur Welt, weil sich ihre Mütter während der Schwangerschaft falsch ernährt haben… Sollen diese Kinder später bestraft werden, weil sie dick sind?

Es wäre mindestens so gerecht, als Kriterium auch den Body-Mass-Index zu benutzen. – Hier geht es um die Ausrichrtung der Prämien bei der Zusatzvesicherung nach dem Risiko-Potenzial. Aber Frau Humbel ist im Irrtum: wir sind weit entfernt von ihrer „Gerechtigkeit“, denn wer einen BMI von über 30 aufweist, hat heute praktisch keine Chance, in eine Zusatzversicherung aufgenommen zu werden. Eine krasse Diskriminierung, die bereits besteht.

Vor allem Hausärzte müssten übergewichtigen Eltern und ihren Kindern die Folgen drastisch schildern und sie zu einer Veränderung ihres Verhaltens motivieren. Doch sind die Ärzte für solche Gespräche kaum bezahlt. – Super, Frau Humbel, messerschaft erkannt. Aber wer hat bei der neuen Tarif-Verordnung darauf hingewirkt, dass der Arzt präventive Beratung ohne therapeutische Handlung kaum verrechnen kann? Hatten die Krankenkassen damit nichts zu tun?

Im englischen Gesundheitsministerium erfuhr ich von einem Projekt, sehr zuckerhaltige Produkte sowie Lebensmittel mit schlechten Fetten mit einem roten Punkt zu versehen… – Bravo, das ist weltoffen gedacht, aber dazu hätte man nicht nach England gehen müssen, die Ampel-Deklaration wird auch hierzulande in Fachkreisen diskutiert, aber es ist der Lebensmittelindustrie bisher stets gelungen, diese Regulierung von sich fernzuhalten… hier braucht es politische Arbeit, nicht auf dem Buckel der Dicken.

Ja. Und auch im Umkreis von Schulen bin ich gegen solche Werbung. – Hier ging es bei der Frage um Einschränkungen der TV-Werbung im Umfeld von Kindersendungen… und wo war die Gesundheitspolitikerin, als der Bundesdrat einen entsprechenden Vorstoss aus dem NR-Kollegium abgebügelt hat mit dem Hinweis, man würde in Kindersendungen keine sog. „Split-Screen-Werbung“ zulassen… etwas, das in der Praxis gar nicht stattfindet?

Ich stehe voll hinter diesem Vorschlag, auch wenn es betrüblich ist, dass man Eltern zu einem solchen Verhalten zwingen muss. – Hier ging es um den Vorschlag des Luzerner Erziehungsdirektors Markus Dürr, dass Kinder nicht mehr mit dem Auto in die Schule gebracht werden dürfen. Das ist an sich eine tapfere Aussage, die ich begrüsse… aber wer so etwas postuliert, der muss sich auch tatkräftig dafür einsetzen, dass die Schulwege verkehrstechnisch sicher werden.

Für Massnahmen in Schulen und Restaurants müssten zunächst einmal die Kantone handeln. – Hier wird unser föderalistisches System als Verhinderungsgrund für beherztes Handeln vorgeschoben… Der Schwarze Peter lässt grüssen. Ich bin überzeugt: wenn ein gemeinsamer politischer Wille vorhanden ist, Zeichen zu setzen und über parteipolitische Schranken hinweg zu tun, was nötig ist und Erfolg auch in kleinen Schritten vespricht, dann muss sich etwas bewegen. Zu verändern sind die Verhältnisse. Dann erst hat das Verhalten des einzelnen Betroffenen eine Chance, sich erfolgreich anzupassen. Jemand muss den Anfang machen. Dafür haben wir unsere VertreterInnen ins Parlament gewählt. Und nicht dafür, dass sie uns ausgrenzen und abqualifizieren.


3 Kommentare zu “Humbel, Forts.”

  1. Schlussendlich dreht sich die ganze Diskussion um das Grundverständnis der Krankheit Adipositas. Sprich: ist Übergewicht erworben oder angeboren. Dabei wird konsequent Ignoriert, was die Forschung in den letzten 20 Jahren einwandfrei nachgewiesen hat: Der Anteil der Vererbung an der Entstehung von Übergewicht beträgt um die 70%. Als kleine Zusammenfassung eignet sich der obenstehende Link zu einem kürzlichen Artikel in der NewYorkTimes.

  2. S.Teichert sagt:

    ja

    .das liest sich wirklich krass. das mit der kantonalsebene – das die schweiz eh nich allein gewerbliche und schulische nutzung trennen vermag.

    das ende
    der ausklang

    _ _ presse, politiker, sprache.

    der biorhythmus
    als schlagzeile, passte gut in meinen gedanken, dass es sich in unserem diskurs eindeutig um eine politische zeit handelt, in der jugendliche unter falschen vorgaben zur lehre gezogen werden.

    knapp. doch. annes mutter hat ne klippentänzerin.

    soweit mal meine meinung mit den gemischten gefühlen,
    Stephan

  3. Stella sagt:

    Glückliche schlanke Frau Humbel! Weiss sie denn überhaupt, wovon sie spricht? Ich habe Freundinnen und eine Schwägerin (ähnliche Frauen in der Gestalt wie Frau Humbel), die futtern was das Zeug hält, soviel Fett zum Kochen einer einzigen Mahlzeit brauchen, was uns zwei für eine Woche genügen würde und dabei seit Jahrzehnten schlank und rank sind und nie ein Kilo zulegen! Es gibt nun mal schlechte Futterverwerter – dazu gehört wohl Frau Humbel mit ihren Kindern – und (leider) gute Futterverwerter wie ein Teil von uns Übergewichtigen. Es ist eben nicht sooo leicht, wie sich das Frau Humbel vorstellt, wenn man zuviele Kilos seit Kindheit herum trägt.
    Weiss sie wovon sie spricht, wenn Sie sagt, „wenn denn Transfettsäuren gefährlich sind“ und zeigt, dass sie von solchen Dingen wenig versteht.
    Übrigens ein Interviewstil – wie Heinrich von Grüningen richtig bemerkt – der nicht so neutral ist, wie er sein sollte. Es hat allerhand Suggestivfragen drin, was nicht gerade journalistischer Stil ist….

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