5/8  Ess-Dilemma

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:13

Der Stationsarzt hat mir auf seiner zackigen Morgenvisite angekündigt, dass es am Donnerstag auf dei Waage gehe. Verschmitzt fügte er bei, ich würde ja automatisch leichter, wenn er erst die gegen 30 Metallklammern herausgenommen habe, die jetzt noch den knapp 20 cm langen Schnitt über das Knie zusammenhalten, so dass es aussieht wie ein kleiner Rollbraten. Es wird ein wunderliches Gefühl sein, ich habe es noch in kindlicher Erinnerung, als seinerzeit, vor fast 60 Jahren, die „Fäden“ aus der Blinddarm-Narbe entfernt wurden, was eine Empfindung auslöste, als müsste beim nächsten Luftholen der ganze Bauch aufplatzen, so halt- und schutzlos, wie er geworden sei…

Aber zurück zum Gewicht: ich war mit dem Vorsatz angekommen, den Kuraufenthalt auch dazu zu nutzen, wieder einige Kilos abzubauen, und zwar dauerhaft, wenn ich mich dann dank geflickten Knies wieder besser bewegen könnte. Die Vorzüge der flexiblen Menüwahl habe ich schon beschrieben und ich versuche mich daran zu halten, auch wenn es mir nicht immer zu 100 Prozent gelingt, da doch zuweilen die Lust über die Vernunft obsiegt. Aber der Onkel Doktor meint es ernst. Wenn die Waage am Donnerstag kein positives Resultat zeige, könne man auch die schon knappe und kalorienbewusste Kost sehr leicht noch weiter verknappen…

Und damit entsteht das Ess-Dilemma: da zahlst du eine erkleckliche Summe für einen Aufenthalt mit Halbpension, siehst täglich die opulenten Buffets, liest die appetitanregenden Menüpläne und muss dir einhämmern: für das viele Geld darfst du jetzt nichts von alledem essen. Oder fast nichts. Natürlich kann man sich damit behelfen, dass man die teuersten der kalorienfreien Essens-Angebote nimmt. Und es ist auch nicht so, dass diese nicht schmecken würden. Aber wie erkläre ich dem Doc, dass das Gewicht am Donnerstag nur deshalb nicht stimmt, weil es am Vorabend eine gewaltige Auswahal an Appenzeller Spezialitäten gab?