22/5  Schieberei

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:51

Wie man ein Schwergewicht bewegt, das ist derzeit vor meinem Bürofenster weltweit erlebbar. Allerdings erhebt sich dazwischen noch ein Gebäude mit zwölf Stockwerken… aber dank Fernsehen bin ich aus nächster Nähe dabei, wenn hier in Örlikon das historische ABB-Verwaltungsbebäude auf seinen Schienen langsam zur Seite gleitet, um Raum zu schaffen für neue Bahngeleise.

Es ist wie eine Parabel: anfänglich der Zerstörung anheim gegeben, der Abrissbirne, welche das schlanke Backsteingebäude in kürzester Zeit in seine Einzelteile zertrümmert hätte. Dann kam in der Bevölkerung eine Gegenstimmung auf, es gab eine Unterschriftensammlung, bei der schon die ersten Kontroversen ausgetragen wurden. Ist es nicht unverhältnismässig, so viel Geld buchstäblich in den Boden zu stampfen, bloss um einen alten Steinhaufen vor dem Zerfall zu retten, dem er ohnehin ausgesetzt wäre?

Lange wurde das Anliegen wie eine heisse Kartoffel zwischen den verschiedenen Akteuren hin und her geschoben, man verschanzte sich hinter Baurecht, Paragrafen, Finanzierungs-Engpässen… aber plötzlich war die politische Stimmung gut, wurden mutige Beschlüsse gefasst, und nun, nach langer Vorbereitung, kann man sagen: Es bewegt sich doch!

Gewicht und Grösse sind nebensächlich geworden, im Gegenteil. Jetzt ist es ein Ruhmesblatt, wenn hier „das grösste Gebäude“ verschoben wird, das je in Europa verschoben wude. Ich erinnere mich an spektakuläre Verschiebungen in Berlin… aber das Faszinosum hier ist ein mehrfaches, denn nicht nur passiert es vor unserer Haustüre, es läuft auch mit routinierter Selbstverständlichkeit ab, während wenige Meter nebenan die Züge in voller Fahrt vorbeidonnern und der Bahnhof funktioniert wie eh und je.

Ein Schwergewicht auf Reisen, und wir können sagen, wir seien dabei gewesen, nachbarschaftlich, gewissermassen.