16/6  Im Rohr

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:29

Heute war ich wieder einmal aufgeboten zu einem CT, einem Computer-Tomogramm. Du legst dich auf einen Schragen, schmal, mit Tüchern belegt, am Kopfende ein riesiges kreisrundes Gebilde, als wäre es eine Variante des Sternentors, durch das sich die unerschrockenen Abenteurer in der Stargate-Serie in jewils ferne Welten beamen lassen.

Vorher wirst du noch abgefüllt, bekommst eine Flasche mit Wasser, das harmlos aussieht, aber einen verräterisch süsslichen Geschmack hat, um dich vom Gedanken abzulenken, dass in der Flüssigkeit irgendwelche Substanzen gelöst sind, die bewirken, dass das Nass in deinem Inneren zum Kontrastmittel wird und ein deutlicheres Bild von deinem Gedärme ergibt…

Denn darum geht es: es soll eine plastische Ansicht deines Verdauungstraktes erstellt werden, um zu klären, ob sich da in dir drin eventuell etwas gebildet hat, eine Zellwucherung, die dich auszehrt und dir die Lebensenergie entzieht… Einen solchen Verdacht äusserte jedenfalls mein Leibarzt, der mich drei Monate lang nicht mehr gesehen hatte und der mit Erstaunen meinen weiteren Gewichtsverlust zur Kenntnis nahm.

Er wusste zwar, welcher Kur ich mich unterzog und hatte deren Fortschritt in regelmässigen Abständen verfolgt. Jetzt aber, da 70 Kilo gewissermassen auf der Strecke geblieben sind und ich an einigen Stellen meiner Erscheinung echt „abgespeckt“ aussehe, war ihm nicht mehr recht wohl dabei. Er habe, sagte er, unlängst eine Patientin gehabt, die ebenfalls so viel in so kurzer Zeit abgenommen hatte und von diesem Erfolg begeistert war – bis sich herausstellte, dass ein Tumor im Dickdarm die eigentliche Ursache für diese rasante Form der Auszehrung gewesen war.

Das solle, sagt der Doc, ihm nicht ein zweites Mal passieren, sicher sei sicher. Und so schickte er mich ins Röntgeninstitut. Der Vorgang dauerte keine zwanzig Minuten. Was da aus meinem Innersten auf die silbrige Scheibe gebannt wurde, die mir der Spezialist nach dem Akt in die Hand drückte, weiss ich nicht. Über kurz oder lang werde ich es erfahren, wobei ich selbstverständlich davon ausgehe, dass es „o.B.“ heissen wird, „ohne Befund“, wie der Stabsarzt seinerzeit bei der Aushebung fürs Militär zu sagen pflegte, nach dem berüchtigten Sackgriff in der Leistengegend… mehr als ein halbes Jahrhundert her, und doch unvergessen.

Warten wir das Resultat in Ruhe ab.


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