15/12 Je dicker desto doof
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:27 |
Beim abendlichen Zappen verweile ich gelegentlich bei Formaten wie „Talk-Talk-Talk“ oder „voll total“, bei diesen wiederverwerteten Zusammenschnitten von möglichst schrillen und krassen Szenen aus den nachmittäglichen Talkshows, in denen besonders auffällige Exemplare der humanen Spezies wie Pitbulls aufeinander gehetzt werden, damit sie sich verbal so richtig fetzen können.
Dabei fällt auf, dass in ungewöhnlich vielen Sendungen dicke Menschen eine ganz besondere Rolle spielen. Je fetter und ordinärer sie sich gebärden, umso lauter und giftiger – oft sogar handgreiflich – werden die Auseinandersetzungen und die gegenseitigen Beschimpfungen, über die sich gelegentlich schamvoll ein Piepston legt, um allzu herbe Obszönitäten zu kaschieren.
Es ist ein erbärmliches Image der übergewichtigen Menschen, das so in die nachmittäglichen TV-Stuben gebeamt wird: Sie sind primitiv, dumm und eingebildet, kleiden sich geschmacklos in viel zu enge Klamotten, aus denen sich die Fettwülste herauswuchten, und wenn wir wirklich Pech haben und es sich um einen Ausschnitt aus einer US-Show handelt, dann strippen sie auch noch…
Verrückt dabei ist, dass solch widerliche Darbietungen eine irgendwie perverse Faszination ausüben. Man bleibt dran in einer Mischung aus Abscheu und Voyeurismus, in der unbewussten Erwartung, dass es vielleicht noch schlimmer kommt… Und ist irgendwie enttäuscht, dass es doch fast immer mehr oder weniger das Gleiche ist.
Vielleicht haben solche Darbietungen, auch wenn sie kaum das richtige Leben spiegeln und meist von bezahlten Interpreten aufgeführt sind, ihren verborgenen Sinn darin, dass sie den Frustrierten, Hoffnungslosen und Entmutigten, die daheim vor dem Bildschirm hocken, die Gewissheit vermitteln, dass es da draussen irgendwo noch Leute gibt, denen es dreckiger und schlechter geht als ihnen selber. Schade nur, dass dabei meist die Dicken dran glauben müssen.
PS: In diesem Moment flimmert ein Spot über den Bildschirm, in dem für Orangen und Mandarinen geworben wird – als Ersatz für zucker- und fetthaltige Schleckereien… dumm nur, dass die Kinder, die durch diesen Spot angesprochen werden sollten, nachts um halb elf eigentlich im Bett sein müssten.