28/12 Wo bleibt die magische Diät?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:02 |
Jetzt ist es zauberhaft, im Winter auf dem Land zu sein. Das Thermometer sinkt gegen minus zehn, die Luft ist klar und ein feinstes Schneegestöber wirbelt vor der dunklen Silhouette des nahen Waldes durch das Blickfeld… und ich finde in den Tagen des Müssiggangs und des Faulenzens endlich Zeit, mit der begonnenen Lektüre fortzufahnen.
Hundert Seiten sind gelesen, fünfhundert liegen noch vor mir: „Harry Potter and the Half-Blood Prince“. – Es ist eine spezielle Art von literarischer Magie, auf die man sich einlässt. Zuerst braucht es einige Zeit und auch Anstrengung, bis man sich wieder eingelesen hat in die Geschichte und ihren Erzählfluss, bis die vielen bizarren Figuren und Charaktere wieder Gestalt angenommen haben und ihre Lebensläufe aus den fünf vorangegangenen Büchern sich erneut zu einem plastischen Ganzen gefügt haben. Aber plötzlich – und das ist in der Regel so nach hundert Seiten – kommt Dynamik in die Geschichte und reisst ihre Leserschaft mit sich fort, ob gross oder klein, in einem fulminanten Strom unwirklicher und doch plastisch dramatischer Ereignisse, so dass man das Buch nicht mehr weglegen mag.
Ein Gedanke hat ich mir in diesen Tagen beschlichen, und da haben die – sehr kongenialen – Verfilmungen, die ich bisher gesehen habe, ihren Teil dazu beigetragen: Wenn man das junge Zauberervolk so sieht, das die wunderliche Schule von Hogwarts bevölkert, dann entspricht der Anteil an übergewichtigen Jugendlichen keineswegs der statistischen Wahrscheinlichkeit, wie sie auch für die magische Welt gelten müsste. Zwar gibt es einige Exemplare, die den vertrauten Clichés Genüge tun: Sie sind dauernd auf Süssigkeiten versessen, dümmlich und faul und lassen sich manipulieren… Aber wenn man bedenkt, mit welchem kulinarischen Überfluss die jungen Studierenden im grossen Speisesaal ihrer Schule Tag für Tag überschüttet werden, wie sich auf einen Wink mit dem Zauberstab riesige Schüsseln mit knusprigen Pouletschenkeln und Berge von Törtchen von oben auf die Tische senken, wie grosse Krüge mit Fruchtsaft durch die Luft schweben und die Becher auffüllen… es ist ein Schlemmerland, wie man es sich verführerischer nicht wünschen und vorstellen könnte, und die Kids hauen rein und bedienen sich nach Herzenslust, als hätten sie in ihrer ganzen Zauberlehre nie etwas von vernünftiger Ernährung gehört.
Vielleicht sind Zauberleute am Ende doch mit einem speziellen Sensorium ausgestattet, das sie befähigt, unbewusst und ohne besondere Anleitung das Richtige zu tun. Und die paar dicklichen, die bemitleidenswert aus ihrer zu knappen Wäsche gucken, sind die schlechten Beispiele, an denen sich die Fangemeinde ja kein Vorbild nehmen soll… – Schade. Der allerletzte Band bleibt wohl ungeschrieben: „Harry Potter and the Magic Diet“.
Sie motivieren mich genial, lieber HvG,
nächste Woche – wenn andere wieder ins Alltagsleben reinknien – ist meine Ausspannwoche, Zeit für Lektüre. Letzte Woche schon, als mein Schwiegersohn von einer Frucht, einer sagenhaft schmeckenden, asiatischen Frucht geschwärmt hat erinnerte ich mich an die Köstlichkeit des Protagonisten in Perelandra (C.S.Lewis). Der Autor würde sich Ihrem Engagement als SAPS-Präsident anschliessen… Im Übrigen las ich zu Beginn der Erfolgsgeschichte von HP, dass sich die Autorin von Lewis inspirieren liess. Im Essen vielleicht aber nicht. Das müsste ich gelegentlich recherchieren, müsste spannend sein – Lewis’s Narnia-Leute sind ja auch oft an gedeckten Tischen…
Herzlichst verbunden in spannenden, erholsamen Lektürezeiten
Uschi Marty