24/1  Grosse kleine Welt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:46

Ein Tag auf Reisen in Sachen Kinderhilfswerk „Terre des hommes“: am Morgen nach Lausanne zu einem Meeting mit Burkhard Gnärig, dem CEO der internationalen Allianz „Save the Children“, der auf seinem Weg von London nach Davos zum WEF bei uns einen Zwischenhalt macht für einen Gedanken- und Erfahrungsaustausch über Aspekte der Globalisierung im Zusammenhang mit der Hilfswerktätigkeit.

Am Abend dann ins basellandschaftliche Sissach, wo im privat-familiären Rahmen eine Einladung gegeben wird zu Ehren der Ärztin Dr. Noorkhanum Ahmadzai. Sie ist Leiterin eines beeindruckenden Tdh-Hilfsprojekts in Kabul, der Hauptstadt Afghanistans. Dort sind über dreissig Hebammen im Einsatz, die rund um die Uhr junge Mütter mit Aufklärung und Beratung begleiten und so im eigentlichen Sinne Lebenshilfe leisten; das einzige ausländische Hilfsprojekt, das auch während der Taliban-Zeit im Land geblieben ist und arbeiten konnte.

Dr. Noorkhanum ist eine aufgestellte, lebenslustige Frau, aber sie hat Not und Elend in einem Land erlebt, das während Jahrzehnten unter wechselnden Kriegen zu leiden hatte. Sie kennt bittere Armut, Hunger und Entbehrung. Auch sie wird am Freitag nach Davos reisen, um dort auf einem Panel des „Open Forum“ über Menschen- und Kinderrechte zu diskutieren. Mit am Tisch wird UNICEF-Ambassadorin Angelina Jolie sitzen, dank deren Präsenz die Boulevardmedien aufgeregt auch über ein Thema berichten, das ihnen sonst wohl kaum manche Zeile wert gewesen wäre.

Eine spannungsvolle Kombination: Hier die fleischgewordene Verkörperung der Lara Croft, ein vom Leben verwöhntes Luxusgeschöpf aus der Jetsetteria mit sozialem Engagement… und dort die Medizinerin, die sich unter gesellschaftlich extremsten Bedingungen ihren Platz in einer Männergesellschaft erkämpft hat und täglich ein Pensum absolviert, das schlicht Bewunderung verdient.

Wir sitzen an der Tafel und realisieren, wie gut es uns geht. Vor drei Jahren habe ich Noorkhanum in Kabul besucht, ihre Arbeit kennen gelernt und gespürt, mit welcher Intensität und welchem Überlebenswillen ein Volk darum kämpft, wenigstens wieder eine menschenwürdige Existenz zu finden, und welche Last auf den Schultern der Frauen liegt, die Leben gebären und auch erhalten müssen…

Da werden unsere eigenen „Probleme“ ganz klein und es fällt mir nicht ein, an diesem Abend lange über Übergewichtsprobleme reden zu wollen. Denn schon nur der Gedanke daran, am gleichen Tisch mit jemandem zu sitzen, für den Hunger und Not zur alltäglichen Realität gehören, verbietet es. Wir merken, dass wir hier eigentlich im Paradies leben. Und dass uns dies nur selten bewusst wird, so selbstverständlich ist alles.

Die Zeit ist um, mein Zug zurück nach Zürich fährt ein einer Viertelstunde… Wer hat sein Auto zuvorderst? Es ist der Regierungsrat und Erziehungsdirektor, der dieser Runde die Ehre gegeben hat. Er fährt mich zum Bahnhof. Selbstverständlich. Wir haben es gut.