3/5 Was ist eine Lobby?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:11 |
Als im Dürrenmattschen Güllen die reiche Alte Dame zu Besuch kam, war sie begleitet von ihren geblendeten Dienern. Sie hiessen irgendwie Robi und Kobi… oder Tobi und Zobi… nur Lobby hiess keiner. Es waren Jugendfreunde, die durch ihre Falschaussagen damals, vor vielen Jahren, das missbrauchte Klärli in der Schande hatten sitzen lassen. Später hatte sie Rache genommen, grausam.
Diese Szene spielt sich vor meinem inneren Auge ab, wenn von „Lobby“ die Rede ist. Eine freie Assoziation, gewissermassen. Und das war heute Nachmittag der Fall. Wir hatten uns getroffen, Vertretungen der Herzstiftung, der Diabetesgesellschaft, der Ärzte, der SAPS… um zu überlegen, mit welcher Aktion wir wohl am besten die helvetischen (um nicht zu sagen „Güllener“) Politiker auf die Tatsache aufmerksam machen könnten, dass eine massive Investition in Aufklärung und Prävention allemal günstiger kommt als die Bezahlung der Folgekosten, wenn man dem Unheil „Übergewicht“ seinen freien Lauf lässt…
Aber eben: um mit harten Fakten und Zahlen operieren zu können, muss man sie zuerst haben, müssen die Daten erhoben und die Berechnungen angestellt sein. Und dann müsste man diese Infos anschaulich aufbereiten, eindrücklich darstellen, beispielhaft „verkaufen“, so dass sie den Politikern einfahren, sich einprägen und einbrennen in ihr Bewusstsein, auf dass sie die Hand bei künftigen Abstimmungen im richtigen Augenblick heben mögen…
Und da kommen auch schon die Zweifel und Vorbehalte: wir als gemeinnützige Vertreter des Gesundheitsgedankens, AnwältInnen der Patientenschaft im Dienste des Hippokrates, auf den die Ärzte schwören, wir haben nur bescheidene Mittel zur Verfügung. Was sollen wir machen mit unseren kleinen, aus Spendengeldern gespeisten Budgets, im Wettbewerb mit den hauptberuflichen Lobbyisten der Ernährungs-Industrie, der Bauernsame, der Wirtschaft, die klotzen können und nach Umsatz und Gewinn lechzen, während wir für Sparsamkeit, Vernunft und Selbstbeschränkung werben möchten…
Es sind ungleiche Spiessse, das haben wir bald gemerkt. Aber wir müssen lernen, die Stärken der Schwächeren auszuspielen. Wir müssten cleverer sein, origineller, witziger… um einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Unser Vorteil könnte am Ende darin bestehen, dass wir im Jahrmarkt des Lobby-Treibens bescheiden auftreten – müssen. Mit einer dunklen Brille und leiser, hoher Stimme, wie Hobi und Mobi, oder wie immer sie geheissen haben. Denn – und das hat uns Dürrenmatt ins Stammbuch geschrieben – eine Geschichte ist immer erst dann zu Ende erzählt, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat. Das wäre dann in unserem Fall das „dicke“ Ende.