14/5 Umkehr der Verhältnisse
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:33 |
Es führt kein Weg an der Energiebilanz vorbei. Das wurde mir heute klar, als ich erwartungsvoll die SonntagsZeitung aufschlug, um auf Seite 89 eine Abhandlung zu lesen, die Aufschluss zu geben versprach über bisher zu wenig bedachte Zusammenhänge zwischen Genetik, Virus-Infektion und Lebensstil.
Aber dann waren da doch wieder die alten Erkenntnisse auf der Basis des bekannten Wissens. Ich habe ja an dieser Stelle schon regelmässig neue Theorien und Resultate von Experimenten und Studien reflektiert, die versuchten, Licht in die Hintergründe der Entstehung von Adipositas zu bringen. Und so ganz neu ist das Phänomen ja auch nicht. Schon bei den alten Ägyptern gab es Menschen mit exzessivem Übergewicht, allerdings – und das ist der Unterschied zur Gegenwart – nur bei der herrschenden Oberschicht, die es sich leisten konnte, sich per Sänfte zu den Pyramiden-Baustellen tragen zu lassen und die kulinarisch in einem Luxus lebten, den ihr Fussvolk niemals kennen lernte.
Was uns heute zu schaffen macht, das ist das epidemische Auftreten und die Tatsache, dass es nun die Oberschicht ist, die sich die gesunde und bewusste Ernährung leisten kann und die über ausreichend Freizeit verfügt, um sich auf dem Golfplatz oder im Fitnessprogramm körperlicnh in Bewegung zu halten. Eine Umkehr der Verhältnisse, die – analog zum Massentourismus, der die früheren Expeditionen der Reichen abgelöst hat – das Problem erst zum „Problem“ werden liess.
So sind denn all die Thesen, dass eine virale Infektion die Bildung von Übergewicht begünstigen könne, dass es vielleicht bald eine Impfung gegen Adipositas gebe und dass man das Gewichtsproblem mit gezielter Genmanipulation in den Griff bekommen könnte, nur Hilfskonstruktionen auf der Suche nach einem weniger beschwerlichen Ausweg aus der fatalen Sackgasse, in die uns die Evolution geführt hat, nachdem die wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Überleben sich einschneidend verändert haben. Es ist der Überfluss, der uns zu schaffen macht, und mit dem wir nicht nicht umzugehen gelernt haben. Auf diesen freiwillig zu verzichten, ist eine Anforderung, der wir noch nicht gewachsen sind. Über Generationen war es das Ziel der Eltern, dass es ihren Kindern „einmal besser gehen solle“ als ihnen selber. Nun hat sich dieser fromme Wunsch fatalerweise in sein Gegenteil verkehrt. Unsere heutigen Kinder könnten die erste Generation sein, deren Lebenserwartung kürzer ist als die ihrer Eltern…