21/5  Humanitäre Hilfe

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:20

Da am Samstagabend im Heilsarmee-Hotel in der Genfer Altstadt der W-LAN-Anschluss schlapp machte, war nichts mit online gehen und bloggen. So blieb der eindrückliche Besuch im IKRK-Musum unerwähnt.

Ich habe diese spezielle Ausstellung unterhalb des Hauptsitzes des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (und Halbmond und jetzt auch Kristall) früher schon einige Male besucht und war immer wieder fasziniert von der eindrücklichen und doch schlichten Präsentation der erschütternden Fakten über Kriegsgräuel und humanitäre Hilfe. Neu waren die „Pavillons“ mit Informationen zur Beseitigung von Landminen, zur Katastrophenhilfe und zur Familienzusammenführung am Beispiel der Massaker in Ruanda. Bedrückend die Rekonstruktion einer der Betonzellen, drei auf drei Meter etwa, in denen in Korea zwischen 15 und 30 Häftlinge zum Teil monatelang eingepfercht gefangen gehalten wurden… Erinnerungen an einen früheren Besuch im ehemaligen KZ Strutthof kommen wieder hoch und die Fassungslosigkeit darüber, was Menschen anderen Menschen anzutun imstande sind.

Wir haben am Sonntagvormittag unser Terre des hommes-Seminar abgeschlossen und sind zurückgekehrt in den privaten Alltag, wo die Medien bis zum Abwinken vollgepfropft sind mit DA-VINCI-CODE-Berichten aller Art (bald reut mich die Zeit, die ich damals aufgewendet habe um das Buch zu lesen, jetzt, wo man den ganzen Inhalt gleich mehrmals und mit unzähligen Deutungsversuchen um die Ohren geklatscht bekommt).

Ich lese noch die letzte Ausgabe der Coop-Zeitung durch und nehme mit Freude zur Kenntnis, dass bewusste Ernährung und Umstellung des Ess- und Bewegungsverhaltens zum heftfüllenden Thema geworden sind, das in allen Facetten ausgeleuchtet und dargestellt wird… – Klar, im Zentrum stehen die Weight-Watchers-Produkte, die der Coop vertreibt, und die ganzen Ausführungen sind eigentlich nichts anderes als eine verkappte, breit angelegte Werbekampagne für das erweiterte WW-Sortiment.

Das relativiert meine spontane Freude wieder ein wenig und ich erinnere mich, wie ich vor etwas über zwei Jahren mit der Marketingabteilung von Coop korrespondiert hatte und ihnen eine Zusammenarbeit im Hinblick auf eine umfassende Aufklärungs- und Motivationskampagne zum Thema Übergewicht und Volksgesundheit vorgeschlagen hatte… mit milden Worten wurde mir damals erklärt, dass dies kein Thema sei und dass man von einer Kooperation mit unserer Stiftung absehen möchte.

So vergeht die Zeit, von Solferino bis zur Gegenwart. Wichtig ist am Schluss das Resultat. Henri Dunant, der Begründer des Roten Kreuzes, starb 1910, einsam und verarmt, wie die Führerin im Museum mit Nachdruck erzählte.




19/5  Kinder in Genf

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:39

Einmal im Jahr trifft sich der Stiftungsrat des Kinderhilfswerks Terre des hommes zu einem Strategie-Seminar. Heuer ist die Wahl auf Genf gefallen und wir verbringen drei Tage mit Diskussion und Planung.

Eines der Projekte, das seit 45 Jahren betrieben wird, gilt der Behandlung von Kindern mit schweren angeborenen Herzfehlern. Diese werden vom Hilfswerk – vornehmlich aus Afrika – in die Schweiz gebracht und hier in Genf und in Lausanne in den kantonalen Kinderkliniken medizinisch betreut. Herzoperationen sind eine der anerkannten Spezialitäten und bis jetzt konnte 4’500 Kinder dank dieser Hilfe gerettet werden. Die Dankbarkeit der Familien im Heimatland lässt sich oft nichgt in Worte fassen.

Wir haben die Chance, das Kinderspital des HUG zu besuchen und bis in die Operationssäle vorgelassen zu werden. Ausgerüstet mit steriler grüner Kleidung (zum Glück liess sich ekine Kluft in fast passender Grösse finden!) treten wir ins Allerheiligste dieser Perfektionsmaschinerie ein und erleben das reibungslose Funktionieren der komplexen Abläufe und sind zutiefst beeindruckt von der Präzision des Teamgeistes, der diese Form der Spitzenmedizin auszeichnet.

Es tut gut zu wissen, dass hier auf dem aktuellen Stand der medizinischen Kunst kleinen Menschen geholfen werden kann, die sonst keine Chance in ihrem Leben hätten. Und es macht betroffen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie leichtfertig man hier, im „zivilisierten“ Teil der Welt, zur Kenntnis nimmt, dass es diese qualitativ ausgefeilten medizinischen Angebote überhaupt gibt… und dass sie von vielen primär wahrgenommen werden als mögliche Objekte für Sparvorgaben ….

Und damit sind wir mitten in der Gesundheitspolitik, wo auch wir Uebergewichtigen ein Anrecht postulieren auf eine optimale medizinische Betreuung und uns wehren dagegen, dass mit der Einführung einer Zweiklassenmedizin diese Pflegeformen nur noch den Reichen vorbehalten sein sollen. – Ich jedenfalls habe das Genfer Kinderspital um einige Erfahrungen und Einsichten reicher verlassen.




18/5  Ein Lebensjahr opfern?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Ich weiss nicht, wie ich das sehen würde. Ich wäre wahrscheinlich bei der anderen Hälfte. Aber ich bin ja auch nicht mehr so extrem betroffen. Oder doch?

Die Los Angeles Times hat Resultate einer Studie der Yale Universität publiziert, die Vermutetes bestätigt und gerade deshalb nachdenklich stimmt. Bürokollege Hess hat mir den Link zugeschickt. Es geht – einmal mehr – um Vorurteile und Wertungen: rund die Hälfte von 4’286 Befragten gaben an, sie würden gerne ein Jahr ihres Lebens opfern, wenn sie dafür nicht mehr übergewichtig wären. – Nun kennt man das ja aus den Märchen: wir mit dem Teufel paktiert, um einen Vorteil zu haben – Reichtum, Erfolg, schöne Frauen – und dabei seine Seele, ein Kind oder eben das Leben verpfändet, der kommt bös auf die Welt, wenn es ans Einlösen des Deals geht, in unserem Fall: wenn dann früher gestorben werden sollte…

Trotzdem, die Resultate der Umfrage sind ernüchternd: Dicke Menschen haben überall schlechtere Karten. Die Mehrheit in allen Gewichtsklassen ist gegen andere Übergewichtige negativ voreingenommen. Sogar bei den extremst Übergewichtigen sind es noch mehr als ein Viertel, die aggressiv und negativ auf (andere) Dicke reagieren, und zwar unabhängig von Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft, Bildung… und auch unabhängig davon, wieviele übergewichtige Verwandte, Bekannte und Freunde man selber hat…

Um nicht dick zu sein, würden die Befragten nicht nur ein Lebensjahr opfern, 15 Prozent gaben gar an, sie würden gerne 10 Jahre und mehr ihres Lebens drangeben. Ein Drittel sagte, sie würden sich lieber scheiden lassen als dick zu sein, 20 Prozent würden lieber kinderlos bleiben und 14 Prozent würden zu Alkoholikern, wenn sie dick wären. (Kinder werden übrigens etwas weniger abgelehnt als Erwachsene.)

Welche Schlüsse werden aus der Untersuchung gezogen? – Dicksein kann dazu führen, dass man die negativen Vorurteile auch auf sich selber überträgt und sich zu hassen beginnt. Diese Erfahrung haben viele von uns gemacht. In diesem Fall muss man zuerst lernen, sich selber und seine Stärken zu akzeptieren. Dann ist das Selbstwertgefühl zu stärken, denn je überzeugter man selber davon ist, dass man es schafft, sein Gewicht unter Kontrolle zu bringen, desto grösser ist die Chance, dass es klappt.




17/5  Radio hören

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Es ist gut, wenn man engagierte Mitglieder hat. Vor allem in einem Verein wie dem SAPS-Trägerverein, wo man aufeinander angewiesen ist. Am Vormittag ruft mich Herr C. an. Ob ich auf DRS 2 die Sendung Kontext gedhört hätte. Es seien interessante Erkenntnisse aus der Gen-Forschung im Zusammenhang mit Adipositas vorgestellt worden. Es sei ein neues Fettmacher-Gen identifiziert worden, jedenfalls bei Mäusen, und die Resultate dieser Forschung lägen nun vor. Der Beitrag werde am Abend wiederholt.

Dummerweise habe ich am Abend Karten fürs Theater. Eine wunderbare musikalische Revue mit Michael von der Heide und einer Truppe beachtlicher Vokal-InterpretInnen, denen es eine wahre Freude ist zuzuhören und zuzusehen. – Also mache ich das, was mir der öffenlichrechtliche Sender seit Wochen und Monaten ins Gehirn hämmert: ich versuche den besagten Beitrag im Internet anzuhören.

Das Kulturprogramm ist bald gefunden, auch die Einstiegsseite zu Kontext… aber dann ist Sense. Als ich auf „Hören“ klicke, meldet der Bildschirm, dass auf meinem PC kein passendes Audioprogramm installiert ist. Als ich ein solches herunter zu laden versuche, bleibt der Kasten stecken… Auch beim zweiten Versuch gelingt es nicht. Muss an der Software liegen.

Nach dem Theater nehme ich auf dem heimischen Privat-PC einen neuen Anlauf. Normalerweise erklingen die Live-Stream-Programme da recht ordentlich… aber auch das ist verlorene Liebesmüh. Es öffnet sich zwar ein Download-Fensterchen, aber dann geht nichts mehr. Ich kann das Fenster nicht mal mehr schliessen. – Vielleicht hat es auch einen Gen-Defekt und muss jetzt datenmässig Fett ansetzen.

Ich entschuldige mich jedenfalls: Wenn sie mehr Glück haben als ich, können Sie den Beitrag hören. Dann wissen sie mehr als ich über das betreffende Gen. Irgendwann wird man die Erkenntnis auch in einem Print-Medium antreffen.




16/5  Bye Bye Bauchspeck!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:46

Dies ist ein Plagiat. Ich gebe es zu. Schlicht und einfach abgeschrieben, abgekupfert, gemopst, geklaut. Aber da laut Volksmund der Apfel in der Regel nicht weit vom Stamm zu fallen pflegt, kann ich vielleicht zu meiner Entlastung so etwas wie ein hereditäres Mit-Copyright in Anspruch nehmen.

Wer möchte nicht abnehmen, wenn der Sommer kommt, die Kleider leichter und luftiger werden, die Röcke und Shorts kürzer, die Ausschnitte weiter und auch die nabelfreie Mitte wieder sichtbar? Es ist ein Gebot der Stunde, und wenn im Schrank noch ein Bikini liegt, erst recht. Die Badeanstalten sind ja schliesslich auch wieder geöffnet.

Rechtzeitig zum Beginn der wärmeren Jahreszeit hat virus, das Radio neuste Geneartion von Schweizer Radio DRS, eine Mitmach-Aktion zur Gewichtskontrolle gestartet. Motto: Bye Bye Bauchspeck! Und es ist mehr als ein Akt der familialen Solidarität, es ist rein von der Sache her ein Must, dass ich hier auf diese Aktion hinweise.

Es ist eine vorbildliche Aktion. Sie appelliert an die Selbstverantwortung, gibt brauchbare Tipps und Empfehlungen, lädt kompetitiv zur gemeinsamen Zielerreichung ein und unterstützt den gemeinsamen Austausch von Erfahrungen und Erfolgsberichten. – Die ersten Reaktionen zeigen allerdings auch schon mögliche Gefahren auf: die Sache mit der Blutgruppendiät ist nicht zwingend für alle zu empfehlen, es bleibt das Risiko des Jo-Jo-Effekts, wenn nach der Zielerreichung nicht auf ein dauerhaft angepasstes Verhalten umgestellt wird…

Aber das alles lässt sich ja noch nachliefern, wenn die ersten Erfolge zu vermelden sind. – Deshalb, liebe junge und junggebliebene eBalancerInnen, macht mit, schreibt euch ein bei virus, denn ihr habt einen grossen Vorteil: mit dem Programm von eBalance seid ihr im Prinzip schon auf dem richtigen Weg. Ihr müsst ihm nur noch folgen.




15/5  heute

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:34

Wenn hierzulande eine neue Zeitung auf den Markt kommt, ist das allemal ein Ereignis. Der Countdown für die Lancierung der neuen Ringier-Publikation, die als Gratis-Pendlerzeitung das Abendwissen der modernen Arbeitsnomaden aufpeppen soll, wurde unüberhörbar in allen Medien mitgezählt, und jetzt ist es also passiert.

Als im um 18 Uhr, von einer Sitzung in Solothurn kommend, im Zürcher Hauptbahnhof eintreffe, sind die Blattverteilerinnen allgegenwärtig und gleich von zwei Seiten wird es mir entgegen gestreckt. Ich bin ein dankbarer Nehmer, nachdem ich gesehen habe, wie mehrere Passanten vor mir dankend abgelehnt haben, wohl in der Meinung, es handle sich um den guten alten Wachtturm. Ich hatte schon befürchtet, die Ständer könnten leergeräumt sein, da das Blatt bereits um 16 Uhr aufgelegt wurde.. aber die Furcht war unbegründet. Als ich in Oerlikon wieder ausstieg, standen die Behälter vollgestopft am Perron-Rand, wie man es bisher nur vom unäglichen U1-TV-Heftli an den Tramhaltestellen kennt.

Vielleicht müssen die Heimwärtspendler sich zuerst an den Gedanken gewöhnen, dass sie jetzt nicht mehr von einem ereignisreichen Arbeitstag ausspannen und langsam sich auf das Bier zuhause vor der TV-Kiste einstimmen können, sondern dass zuvor noch eine neue informationsmässige Herausforderung auf sie wartet, die es zu bewältigen gilt, ehe sie all das, was sie am Morgen schon und den ganzen Tag über am Radio gehört, dann im heute gelesen haben, nochmal auf dem Bildschirm vorgesetzt bekommen.

Früher gab es die klassische mediale Arbeitsteilung: „la radio annonce, al télé montre, le journal explique“ (zu Deutsch: das Radio kündet an, das Fernsehen zeigt’s und die Zeitung erklärt die Zusammenhänge). Das hat sich mit den Gratis-Pendler-Medien verändert. Sicher hat 20min eine ganze Generation neu zur Lektüre des im SMS-Stil aufgemachten Kürzestfutters gebracht und eine Leserschaft zurückgewonnen, die sich vom gedrucken Wort abgewendet hatte. Und am Morgen ist ein gewisser News-Hunger da, der gestillt werden muss, wenn man am Arbeitsplatz mitreden will. Aber wie ist das am Abend? Wer will was wirklich wissen?

Wir werden es sehen (bzw. lesen). Ich habe die erste Nummer voller Neugier durchgeblättert, in der Hoffnung, es gebe da irgendwo auch eine Gesundheitsrubrik, die vielleicht gelegentlich über „unser“ Thema berichten würde, eine Redaktion, die die Nase vorn hat und nach einem Primeur lechzt… Aber das wird sich weisen müssen. Die heutige Ausgabe von heute lässt noch keine Schlüsse zu. Und wer sie noch nicht gesehen hat, kann zumindest einen elektronischen Blick auf die Online-Ausgabe erhaschen.

Das eigentliche Adipositas-Thema wurde heute von der Info-Redaktion von bluewin aufgearbeitet: es geht um die Versorgung schwerst übergewichtiger PatientInnen in den US-Spitälern. Die Thematik wird bei uns über kurz oder lang auch akut.




14/5  Umkehr der Verhältnisse

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:33

Es führt kein Weg an der Energiebilanz vorbei. Das wurde mir heute klar, als ich erwartungsvoll die SonntagsZeitung aufschlug, um auf Seite 89 eine Abhandlung zu lesen, die Aufschluss zu geben versprach über bisher zu wenig bedachte Zusammenhänge zwischen Genetik, Virus-Infektion und Lebensstil.

Aber dann waren da doch wieder die alten Erkenntnisse auf der Basis des bekannten Wissens. Ich habe ja an dieser Stelle schon regelmässig neue Theorien und Resultate von Experimenten und Studien reflektiert, die versuchten, Licht in die Hintergründe der Entstehung von Adipositas zu bringen. Und so ganz neu ist das Phänomen ja auch nicht. Schon bei den alten Ägyptern gab es Menschen mit exzessivem Übergewicht, allerdings – und das ist der Unterschied zur Gegenwart – nur bei der herrschenden Oberschicht, die es sich leisten konnte, sich per Sänfte zu den Pyramiden-Baustellen tragen zu lassen und die kulinarisch in einem Luxus lebten, den ihr Fussvolk niemals kennen lernte.

Was uns heute zu schaffen macht, das ist das epidemische Auftreten und die Tatsache, dass es nun die Oberschicht ist, die sich die gesunde und bewusste Ernährung leisten kann und die über ausreichend Freizeit verfügt, um sich auf dem Golfplatz oder im Fitnessprogramm körperlicnh in Bewegung zu halten. Eine Umkehr der Verhältnisse, die – analog zum Massentourismus, der die früheren Expeditionen der Reichen abgelöst hat – das Problem erst zum „Problem“ werden liess.

So sind denn all die Thesen, dass eine virale Infektion die Bildung von Übergewicht begünstigen könne, dass es vielleicht bald eine Impfung gegen Adipositas gebe und dass man das Gewichtsproblem mit gezielter Genmanipulation in den Griff bekommen könnte, nur Hilfskonstruktionen auf der Suche nach einem weniger beschwerlichen Ausweg aus der fatalen Sackgasse, in die uns die Evolution geführt hat, nachdem die wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Überleben sich einschneidend verändert haben. Es ist der Überfluss, der uns zu schaffen macht, und mit dem wir nicht nicht umzugehen gelernt haben. Auf diesen freiwillig zu verzichten, ist eine Anforderung, der wir noch nicht gewachsen sind. Über Generationen war es das Ziel der Eltern, dass es ihren Kindern „einmal besser gehen solle“ als ihnen selber. Nun hat sich dieser fromme Wunsch fatalerweise in sein Gegenteil verkehrt. Unsere heutigen Kinder könnten die erste Generation sein, deren Lebenserwartung kürzer ist als die ihrer Eltern…




13/5  Meister im Paradies

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:39

Ich kann nicht behaupten, ich hätte den Match mit aussergewöhnlicher Spannung verfolgt. Fussball gehört nicht zu meinen favorisierten Interessen, auch wenn ich vor vierzig Jahren einmal ganz nahe dran war, als ich ein Studienjahr in Sheffield/England verbrachte und dort die Fussball-WM stattfand und die Schweizer und Deutschen bei uns in „unserem“ Stadion spielten und ich mir dabei ein Zubrot verdiente als Mitglied der Dolmetscher-Gruppe, wodurch ich einmal sogar in einen ganz persönlichen Nah-Kontakt geriet mit einem damals schon als hochkarätig gehandelten Spieler namens Beckenbauer.

Aber das ist lange her. Und jetzt hat also der FCZ die Schweizer Meisterschaft gewonnen und Frau Oeri all das schöne Geld umsonst aufgeworfen. Die Tumult-Szenen zum Abschluss werden wir in den nächsten Tagen noch bis zum Überdruss in Zeitlupe sehen können und die Medien haben wieder ein Erreger-Thema, was vielleicht ein wenig vom Doris-Superwoman-Hype ablenken könnte.

Vor einiger Zeit ist uns ein Werbeprospekt zugestellt worden, was die körperliche Ertüchtigung von übergewichtigen Menschen betrifft. Die Sache nennt sich Yoga for Slimmers und vermittelt einen neuen, bewussten Umgang mit dem eigenen Körper, was sich auch positiv auf den ganzen Stoffwechsel auswirken soll. Eine ansprechende Sache, die voll im Trend liegt.

Das jedenfalls hat mir heute ein TV-Bericht bestätigt: in USA gibt es zurzeit einen regelrechten Yoga-Boom. Die Kursangebote schiessen aus dem Boden wie Pilze und treiben dabei auch wunderliche Blüten. Als dankbar für den Filmbericht erwies sich das sogenannte „Nackt-Yoga“, bei dem die Teilnehmer auf das Tragen jeglichen Textils verzichten, mit dem Ziel, sich selber und ihren Körper „mit jeder Faser, jedem Wulst und allem, was an ihm hängt“ zu akzeptieren. Gezeigt wurde eine Männergruppe und der Bewegung wird eine grosse Zukunft vorausgesagt. Da gehen wir ja paradiesischen Zeiten entgegen.




12/5  Ein normaler Tag

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:38

Vieles läuft über den Schreibtisch an einem sogenannt „normalen“ Bürotag. Die reine Routine der Mail-Abarbeitung nimmt einen Teil des Vormittags in Beschlag. Ich habs noch immer nicht geschafft, die Eingänge einfach stehen zu lassen und zuerst das zu erledigen, was dringlich wäre. Ich muss sie öffnen, beginne zu beantworten, komme in einzelne Prozesse und Pendenzen hinein und manchmal laufen mehrere gleichzeitig.

Dazu geht das Telefon. Anfragen um Auskunft, Bestellungen von Broschüren, Suche nach Daten. Die Akquisiteurin einer Messe versucht mich zu überzeugen, dass wir einen Stand mieten müssen, obwohl ich ihr erkläre, dass wir im Moment für so etwas kein Geld haben. Dazwischen arbeite ich weiter an verschiedenen Artikeln für unser Magazin, das in zwei Wochen Redaktionsschluss hat und für das wir noch einige Autoren und vor allem gute Bilder suchen.

Ich bespreche mich laufend mit meiner Mitarbeiterin, wir stimmen die Auskünfte ab, die wir geben, überprüfen die Antworten, ehe sie verschickt werden und überlegen uns, wie man gewisse Abläufe noch weiter vereinfachen könnte. Ärgerlich sind die säumigen Zahler, die bei uns etwas gegen Rechnung bestellen und dann nie bezahlen. Wir überlegen uns, ob man nicht zum Voraus-Inkasso übergehen müsste und die Ware erst liefern, wenn sie bezahlt ist… die Ausstände belaufen sich im Moment fast auf einen ganzen Monatsumsatz.

Über Mittag ein gemeinsames Essen mit einer Hilfswerks-Delegation, Austausch, Kennenlernen, Erfahrungen vergleichen und Unterschiede aufspüren. Dann wieder an den Computer zurück. Eine Umfrage vorbereiten, die französische Fassung dazu entwerfen, zur Überprüfung einer Kollegin in der Suisse Romande schicken… und immer dazwischen Anfragen per Mail oder Telefon.

Am Nachmittag kommt Dr. M. von einer Krankenkasse. Er betreut ein Event für übergewichtige Kinder und es geht um den Versand der Einladungen. Noch immer haben wir das Protokoll der Generalversammlung von Anfang April nicht an die Mitglieder unseres Trägervereins verschickt. Geschrieben ist es, aber noch nicht gedruckt. Jetzt spielt es auch keine Rolle, ob einige Wochen mehr oder weniger, wir können es dem Magazin beilegen, das Anfang Juli zur Post geht. Und auch der Jahresbericht 2005 will verschickt sein… muss auch zuerst noch vervielfältigt werden, ehe er den Sponsoren, Interessenten und Partnern zugestellt werden kann.

Und als das Ende des Tages in Sichtweite kommt, schneit noch ein Mail herein aus Österreich: da fragt eine Frau Magister, die ein Buch herausgibt, ganz unschuldig, was wir denn in der Schweiz für Erfahrungen gemacht hätten mit verschiedenen Gewichtsreduktions-Programmen und nach welchen Kriterien wir diese überprüfen und auswerten würden, und die Antwort sollte sie – bitteschön – bis in einer Woche haben, weil sie sie sonst in ihrem Buch nicht mehr berücksichtigen könne… – Das Thema wäre gut für eine evidenzbasierte vergleichende Studie, die schon lange überfällig ist. Aber leider gibt es sie noch nicht. Was also tun?

Ich beschliesse, dass der Tag gelaufen ist. Nächste Woche gehen die Geschäfte weiter. Am Abend noch ein Konzert in einem Quartier-Kultur-Treff, Gespräche mit Nachbarn, ein Glas Rotwein, und die Vorfreude auf einen guten Schlaf.




11/5  Dicker Mann am Ziel

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:40

Ein gutes Jahr lang war er unterwegs, Steve Vaught, ein Amerikaner von 186 Kilo Gewicht. Im April letzten Jahres beschloss der 39jährige, zu Fuss von Küste zu Küste quer durch ganz Amerika zu marschieren. Jetzt ist er in New York angekommen, nach 5’000 Kilometern und um 45 Kilo leichter.

Die Welt konnte seinen Gewaltsmarsch verfolgen. Medien begleiteten ihn, Filmteams dokumentierten seinen täglichen Kampf und er selber erstattete auf seiner Website regelmässig Bericht. „The Fat Man Walking“ wurde zum Symbol für Durchhaltewillen, zur Ikone der Übergewichtigen, die etwas unternehmen wollen, um sich besser zu fühlen.

Mit seinen rund 140 Kilo gehört er bei der Ankunft in N.Y. noch nicht zu den Fliegengewichten. Aber er ist erheblich abgespeckt und hat, so versichert er, sein Wohlbefinden wieder gewonnen. Litt er vor dem Start an Depressionen, so hat sich sein Selbstwertgefühl nun gestärkt und das Bad der Gefühle, das er im wahrsten Sinne des Wortes durchschritten hat, beschreibt er in seinen Berichten.

45 Kilo in 5’000 Kilometern – das sind rund 110 Kilometer pro Kilo Körpergewicht. Diese kontrollierbare Erfahrung entspricht recht genau einer Berechnung aufgrund des Energieverbrauchs bei körperlicher Aktivität, die wir bisher nur theoretisch angestellt haben: Um ein Kilo abzunehmen, müsste man zu Fuss von Bern nach Zürich marschieren. Diese Formel illustriert, um wie viel schwieriger es doch ist, Gewicht abzubauen, als es zuzulegen… Ganz neu ist diese Erkenntnis nicht. Wir erleben sie im kleinen 100-Gramm-Rahmen jeden Tag, wenn wir die Waage besteigen.

Steve Vaught ist am Ziel, geografisch gesehen. Es gehe ihm (wieder) gut. Hoffentlich kann er sein neues Gewicht halten. Vielleicht hört man wieder von ihm, auch wenn die Scheinwerfer der Weltöffentlichkeit auf ein anderes Spektakel gerichtet sind.