15/7 Alles Wurst
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:32 |
Ein Zufall. Der Blick, das Publikationsorgan der Landesregierung, lässt Bundesrat Samuel Schmid über das Bratwurstessen räsonnieren. Und am Abend bringt FOCUS-TV eine Spezialsendung über des Deutschen Lieblingsspeise: 30 Kilo pro Kopf und Jahr werden davon vertilgt.
Da ist die scharfe Currywurst, die von Germanien aus die Welt erobert hat, da sind die schlanken Wiener, die knackigen Frankfurter, die gerösteten Nürnberger, die besondere Salami und all die andern Würste, die am Haken, im Plastic, im Glas, in der Dose den Weg in die Verkaufsregale und zum Kunden finden. Wir sehen, wie das Fleisch seinen Lauf nimmt, eben noch munter auf der Weide oder doch lebensfroh im Stall, und kurz darauf in Hälften zerlegt auf dem Fliessband, wo es bis zur letzten Faser verwertet und in Schläuche abgefüllt wird.
Eindrücklich die hygienischen Auflagen an die Grossfirmen und die Kontrollen auf dem Transport und im Verkaufsgeschäft, die gewährleisten sollen, dass Gammelfleisch-Affären nicht zu oft vorkommen. – Spannend der Weisswurst-Test: hier tobt ein Glaubenskrieg zwischen den Hütern der reinen Lehre, die das Produkt unter Namensschuitz stellen wollen, und Anbietern, die ausserhalb von München produzieren und die einem Labor den Auftrag geben, verschiedene Rezepte – Klabfleisch oder Schweinefleisch? – auszuführen und einer Testesse-Gruppe vorzusetzen… die prompt mehrheitlich keinen Unterschied merkt und so die verbissenen Puristen Lügen straft.
Was will dieser zweistündige Wurst-Marathon sagen? – Er verzichtet für einmal auf Enthüllungsstories, die uns das Grausen lehren sollen. Es ist eine Hymne an die schlichte Redlichkeit der Wurst in ihrer tierischen oder künstlichen Hülle, ein traditionelles, mit Liebe und Sorgfalt gefertigtes Lebensmittel, auf das man sich verlassen, in das man getrost beissen darf. Sogar die fettreduzierte Wurst wird so lange weiter entwickelt, bis sie schmeckt. Und hier treffen sich Deutschland und die Schweiz, wo sich der Sportminister zum Wurstpropagandisten machen lässt.