2/8 Lob der Selbstkritik
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:31 |
Selbsterkenntnis ist eine der edelsten Tugenden. Auch die korrekte Selbsteinschätzung gehört dazu. Aber wer kann sich schon rühmen, ohne Fehl zu sein?
Eine US-Studie hat hier verblüffende Fakten zutage gefördert: 11’000 Personen hat das Meinungsforschungsinstitut Thomson Medstat (Michigan) befragt und die Antworten der Übergewichtigen mit denen der Normalgewichtigen verglichen. Yahoo News präsentiert die Auswertung:
Mehr als drei Viertel der befragten übergewichtigen Amerikaner haben ausgesagt, sie würden sich „gesund ernähren“… bloss: was heisst das? Was halten sie für „gesund“? Und ganze 40% gaben an, sie würden sich mindestens dreimal pro Woche „heftig“ sportlich betätigen! Dieser Wert dürfte – so vermuten die Experten – nicht einmal für die normalgewichtigen US-Bürger zutreffen.
Was also bringt die Adipösen dazu, in dieser Selbstangabe zu schummeln? Man sieht, dass der Aufruf der eBalance-Redaktion nur allzu berechtigt ist, man solle einmal sein eigenes Deklarations-Verhalten genauer unter die Lupe nehmen und überprüfen, ob man beim Tagebuch-Führen punkto Ernährung und Bewegung wirklich in allen Punkten akkurat protokolliert habe…
Irgendwie „müssen“ wir Übergewichtigen zum Verdrängen oder zur Selbstbeschönigung neigen. Jedenfalls ist es äusserst aufschussreich, dass auf bestimmte Fragen die „Normalgewichtigen“ kaum anders geantwortet haben als die „Adipösen“: 24% der „Normalen“ gaben an, sie würden beim Einkauf konsequent die Nährwert-Angaben studieren, 19% der „Dicken“ sagten dasselbe von sich auch; 25% der Normalen essen dreimal und mehr pro Woche auswärts, bei den Dicken sind es 29%; 24% der Normalen gaben an, sie würden zwei- oder mehrmals pro Tag etwas dazwischen essen, bei den Dicken waren es 28%… Auffällig ist einzig die Reaktion auf die Frage, wer im Restaurant immer die ganze Portion aufesse: bei den Dicken sind das stolze 41%, während es bei den Normalen nur 31% sind.
Ich glaube nicht, dass eine vergleichbare Befragung hierzulande zu wesentlich anderen Resultaten führen würde. Der Mensch ist, was er zu sein vermeint. Und er sieht sich so, wie er sich sehen möchte, im (zu) Guten wie im (zu) Schlechten. Dieses wissend, dürfen wir uns selber gegenüber manchmal durchaus auch etwas kritischer sein.