26/8  Faltenfrust (2)

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:30

Es waren an die 60 gekommen und der Abend wird sich auf lange Zeit in ihr Gedächtnis einprägen. Da sind zunächst die einführenden Erläuterungen des Chirurgen: ein erfahrener Praktiker, der seit zehn Jahren diese Operationen vornimmt. Die Bilder der durch Hautwülste und herunterhängende Lappen entstellten Menschenkörper wird man nicht so schnell wieder los. Viele im Saal wissen aus eigener Erfahrung vor dem Spiegel, was dies für das tägliche Leben bedeutet.

Bald kommt die Frage nach den Kosten und nach den einschlägigen Bestimmungen für eine Gutsprache durch die Krankenkasse. Es ist für alle ein richtiger Schock, zu erfahren, dass durch ein Präzedenz-Urteil, das Anfang dieses Jahres vom Eidgenössischen Versicherungsgericht, der höchstrichterlichen Instanz in dieser Sache, gefällt wurde, praktisch jede der bisher bewährten Optionen für die Übernahme der Kosten ausgehebelt wurde. Das Gericht, so war zu vernehmen, hat einstimmig die Gründe, die bis anhin bei einem Antrag mit Erfolg aufgeführt wurden, für nichtig und irrelevant erklärt.

Ein böses Erwachen, das sogar für den einzigen Vertrauensarzt einer Kasse, welcher der Einladung gefolgt war, überraschend kam. Ihm war die Existenz dieses Entscheides bisher noch gar nicht bekannt. So machte sich Ernüchterung und auch Enttäuschung breit. Ein solches Urteil, das war die allgemeine Meinung, konnte nur fällen, wer keinerlei Ahnung von den medizinischen Zusammenhängen und von der körperlichen wie seelischen Not der Betroffenen hatte…

Was tun? – Ein „Gegen-Urteil“ zu erwirken versuchen? Mit politischem Lobbying eine Veränderung der gesetzlichen Grundlage herbeiführen? Dafür stehen die Vorzeichen schlecht. Zu weit ist immer noch das Vorurteil verbreitet, dass dicke Menschen ihre Situation allein und selbst verschuldet haben und daher bitte sehr auch die Konsequenzen – sprich Kosten – selbst zu tragen hätten. – So muss diese neue Situation denn als ein zusätzlicher Ansporn verstanden werden, die Prävention zu forcieren, um zu verhindern, dass die Anzahal der stark übergewichtigen Menschen weiter zunimmt.

Für all jene, die das Problem heute schon haben, und die vor einem emotionalen Scherbenhaufen stehen, ist das ein erbärmlich schwacher Trost. Für sie lohnt es sich, mit gemeinsamen Kräften weiterhin zu kämpfen.