30/9  Die Schlankheitspille

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:54

In meinem Vortrag, den ich am Sonntag in der Züspa um 14 Uhr zum achten und damit auch zum letzten Mal halte, gibt es eine Folie, auf der in grossen Buchstaben steht: Es gibt k e i n e Wunderpille! – Und ich flehe mein Publikum geradezu an, nicht den Verlockungen der Werbung zu erliegen, wenn wieder mal die Rede ist von einem neuen Mittel, mit dessen Hilfe man die Pfunde mühelos zum Schmelzen bringen könne, ohne dabei auf Pizza, Hamburger und Cola verzichten zu müssen.

Solche Produkte mit diesen Versprechungen sind Humbug. Neben den heute zugelassenen, rezeptpflichtigen und nur unter gewissen Bedingungen von der Krankenkasse übernommenen Medikamenten Xenical und Reductil gibt es keine wissenschaftlich erprobte Pille oder Substanz, die in der Adipositas-Therapie von Bedeutung wäre.

Und nun lese ich in der berühmten amerikanischen Wissenschafts-Publikation Wired Magazine einen Artikel, der in internationalen Foren bereits eine heftige Kontroverse ausgelöst hat. – Es geht um das Metabolische Syndrom (auch „Syndrom X“ genannt), das als Oberbegriff all jene Krankheitsbefunde vereint, die mit Adipositas einhergehen.

In den USA wird dieser Begriff offenbar noch nicht so lange benutzt. Jedenfalls setzt sich der Autor kritisch und spekulativ damit auseinander. – Er sagt – knapp zusammengefasst – so viel wie: Ok, wenn wir Adipositas und die Begleiterscheinungen als „Krankheit“ definieren, so liegt es auf der Hand, dass die mächtige Pharma-Industrie nicht zögern wird und Himmel und Hölle in Bewegung setzt, um entsprechende Medikamente auf den Markt zu werfen. Denn die 75 Millionen von diesem Metabolischen Syndrom betroffenen Amerikaner sind ein zu verlockender Markt. Und die Erfahrung hat gezeigt: sobald eine neue Krankheit benannt wird, ist die Chemie mit einer Pille zur Stelle. Und – so fragt der Autor sich selber und seine Leserschaft – was liegt näher, als dass die Leute dann sofort aufhören, sich mit Ernährungsumstellung und mehr Bewegung zu plagen, wenn sie doch ganz bequem eine Pille einwerfen können?

Nun wissen wir aber, dass Novartis vor vier Jahren die Forschung an einer Schlankheitspille eingestellt hat, weil sie ohne gravierende Nebenwirkungen nicht zu realisieren war, wie der damalige Forschungsleiter Dr. Leoluca Criscione berichtet. Das hindert aber offenbar meinen Kollegen Richard Atkinson, Präsident der American Obesity Association AOA, nicht, die These zu proklamieren: Die Zukunft der Adipositas liegt in den Medikamenten.(so jedenfalls wird er im besagten Wired Magazine-Artikel zitiert).

Die Diskussison ist damit lanciert.


2 Kommentare zu “Die Schlankheitspille”

  1. philippe beissner sagt:

    Hallo Herr von Grünigen
    ich glaube persönlich fest daran, dass in der Zukunft die Medikamentöse Therapie ein wichtiger Bestandteil der Übergewichtsbehandlung sein wird. Wenn man bedenkt, wieviele Medikamente zur Behandlung des Bluthochdrucks verfügbar sind und dass oft eine Kombination von 3 oder 4 Wirksubstanzen notwendig ist für eine gute Blutdruckeinstellung, kann man sich gut vorstellen, dass in Zukunft eine individuelle Kombination von mehreren Substanzen mit verschiedener Wirkungsweise individuell zusammengestellt werden kann. Allerdings ist nicht zu erwarten, dass mit einem Pharma-Cocktail allein das Körpergewicht nachhaltig beeinflusst werden kann.
    Ich denke, die individualisierte Behandlung wird an Bedeutung gewinnen, wobei sowohl der BMI wie auch die genetische Situation, die Lebensumstände, das Alter und Begleiterkrankungen die Wahl der Behandlung noch stärker beeinflussen werden.
    Wie sehr die Industrie an der Entwicklung wirksamer Therapien interessiert ist, ist für mich allerdings immer noch fraglich. Zurzeit ist es sicher lukrativer, die Folgekrankheiten des Übergewichts zu behandeln als die Ursache anzugehen. Zudem scheint die Lebensmittel- und Schlankheitsindustrie zusammenzuwachsen (Wem gehört z.B. Jenny Craig? genau Nestle)

  2. heidi sagt:

    guten abend herr von grünigen
    nach ihrem vortrag an der züspa, war ich entschlossen mich bei ebalance einzuloggen und habe das auch sofort getan. habe einfach keine lust zu warten bis die pharma für mich die verantwortung übernimmt mit einer wunderpille!! da ich schon über sechzig bin, erlebe ich es vielleicht nicht mal. wäre zwar bequem, einfach medi zu schlucken und zuzusehen wie die pfunde purzeln, aber ehrlich gesagt, finde ich es mal ganz interessant, mich auch bei meinen essgewohnheiten auf mich selbst einzulassen. ich hoffe dass es mir gelingen wird an mir selbst dranzubleiben und wünsche allen eingeloggten dasselbe

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