31/1  Der Okinawa-Effekt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:37

Es gibt eine Studie über die Lebensweise der Hundertjährigen auf der japanischen Inselgruppe Okinawa. Nirgendwo im asiatischen Raum gab und gibt es so viele alte Menschen wie dort. Seit 1976 wurden über 600 von ihnen regelmässig untersucht und erwiesen sich aus ausserordentlich fit und gesund.

Und es gibt einen anderen Befund: nirgendwo im asiatischen Raum gibt es so viele Adipöse und Übergewichtige wie auf Okinawa. – Wie kommt das? Ist das ein Widerspruch? Auf den ersten Blick: ja. auf den zweiten wird klar: Übergewicht und Adipositas haben Einzug gehalten, als Okinawa nach dem zweiten Weltkrieg während 27 Jahren unter amerikanischer Verwaltung stand und mehrere grosse US-Kriegsbasen eingerichtet wurden. Damit hielt auch der American Way of Life in aller kommerziellen Brutalität mit Hamburger, Cola und Pommes Einzug und die jungen und jüngeren Einwohner übernahmen den neuen Lebensstil.

Sie gingen auseinander… bei ihnen traten die gleichen Symptome auf wie beim Durchschnitts-Ami. Nur die Alten hielten an ihrer traditionellen Ernährungsweise und Lebensform fest… und blieben gesund und wurden immer älter. – Könnnen wir daraus etwas lernen? Müssten wir zurück zu unserer historischen, bäurisch-ländlichen Lebensart? Sicher, in den Hungerperioden früherer Jahrhunderte, als es ausser Haferbrei und Kraut wenig zu beissen gab, hat niemand unter Übergewicht gelitten. Nur die Fittesten überlebten und die Kindersterblichkeit war hoch. Das wollen wir ja nicht wieder haben. Aber eine neue, gesundbewusste Kargheit im Speiseplan wäre angezeigt. Irgendwie müsste es gelingen, diese als „schick“ zu verkaufen, in Trend zu bringen und als Geheimtipp anzubieten… Schliesslich leben wir nicht unter US-Besatzung. Oder doch?


2 Kommentare zu “Der Okinawa-Effekt”

  1. Betreff:
    Warum schmecken uns die natürlichen, einfachen Nahrungsmittel nicht mehr?
    Warum schmeckt das Ungesunde vermeintlich besser?

    Lieber Herr von Grünigen,

    mit Verlaub gesagt: Die Kargheit, die Einfachheit im Speiseplan muss nicht ‚schick’ sein, sie braucht uns nur besser zu schmecken als der aromatisierte Schrott. Ob uns etwas wirklich gut schmeckt, kann sich aber erst beim genussvollen Einspeicheln und Ausschmecken des Bissens (=Schmauen) herausstellen. Das Kriterium lautet: Das Geschmackserlebnis darf nicht bereits durch bedenkliche Zusatzstoffe voll entwickelt da sein, wenn wir eine Speise in den Mund nehmen. Ein echtes, natürliches Lebensmittel beginnt erst nach 10 bis 20 Sekunden gut zu schmecken. Wer richtig ausschmeckt, braucht keine krank und dick machenden künstlichen Geschmacksverstärker mehr. Wer das Schmauen nicht erlernt hat, isst vorwiegend Speisen, die zu weich und zu stark aromatisiert sind. Der wahre Geschmack kann in seiner Entstehung, Entfaltung und Steigerung im Mund gar nicht mehr stattfinden. Deswegen essen wir weiter, obwohl wir schon längst satt sind . Oder wir fangen an zu essen, obwohl wir noch gar keinen Hunger haben. Wir haben – durch den manipulierten Speichelfluss – keine Chance mehr und reagieren (auf Kommando und Wunsch der Nahrungsmittel-Hersteller) naturgemäss wie einst die berühmten Pawlow’schen Hunde.
    Das Grundprinzip der modernen Lebensmittel-Industrie, das oberste Gebot allen erfolgreichen Food-Designs, heisst: Mehr Speichel erzeugen als wir verwerten können. Speichelfluss signalisiert Hunger. Deswegen schuften ganze Industriezweige für den ungebremsten Speichelfluss! Psychophysiker in aller Welt erforschen systematisch unsere Essinstinkte, studieren die Reaktionen unserer Geschmacksnerven und spüren unserem Gefühlsleben beim Essen nach. Egal, ob fettreduzierte Mayo, Fertigsuppe, Light-Bier, Pizza, Kuchen oder Joghurt, das Imitat wird im Labor so optimal aufgepeppt, bis Mundgefühl und Speichelfluss auf die unbewussten sinnlichen Genusserwartungen abgestimmt sind.
    Ergebnis: Wir verschlingen – meist mit abgestumpften Geschmackssinn – ein geschmackvolles Nichts (= ein fremdgesteuertes Chemie-Produkt), das sich im Mund genauso verhält wie von Technologen und Chemikern vorgegeben. Wen wundert’s, dass wir immer dicker werden? Die fehlende Befriedigung des Körpers durch die permanente Täuschung des Gaumens treibt den Reiz- und Heißhunger immer weiter an. Die meisten Kinder sind heute schon aromasüchtig. Was nützt es, wenn die Medien berichten, dass Kindern beim Probieren von zwei Joghurtsorten, der kräftig gefärbte und künstlich hochstilisierte „Aromabomber“ besser und noch dazu natürlicher(!) schmeckt als der echte Joghurt mit reinem, natürlichem Erdbeermark?
    Es kann ja gar nicht anders sein.
    Das abnorme Essverhalten ist unter den pervertierten Umständen sogar NORMAL.
    Daher bringt es vermutlich auch nicht viel, Fastfood & Co an den Schulen per Gesetz zu verbieten, so ehrenwert die Absichten des Gouverneurs Arnold Schwarzenegger in Kalifornien auch waren. Aber Verbote regen die Lust aufs Verbotene meist erst recht an. Fastfood ist nicht schuld! Was jedes Kind, ja wir alle unbedingt brauchen, ist das richtige sinnesphysiologische Know-How (=Schmauen!), um mit reanimierten Geruchs- und Geschmacksnerven dahinterzukommen:
    WIE die „Aromabombe“ in Sekundenschnelle gar nicht mehr so gut schmeckt.
    Auch ich war fast ein Leben lang ein ahnungsloses Opfer der Aroma-Industrie. Auch ich war „heiss“ auf Fast-Food. Und künstliche Aromen, Mouthfeel-Regulatoren, Emulgatoren, Stabilisatoren, Knusperstoffe, Färbemittel und Geschmacksverstärker weckten meine Verzehrslust, auch wenn ich gar keinen Hunger hatte. Denn es schmeckte ja so phantastisch. Doch nur die Fälschung schmeckte phantastisch. Zur Freude von Food-Designern und Sensorikern hatte ich mir längst einen naturfremden Geschmackssinn antrainiert. Dank Geschmacks-Design und Geschmacks-Tuning.
    Erst durch die investigative Technik des Schmauens (=Schmecken und Kauen) bekam ich
    die Chance, das billige, minderwertige Imitat, die Gaunerei mit dem Gaumen, geschmacklich sofort zu erkennen und durch die zurückgewonnene Sensibilität meines ureigenen Geschmackssinnes auch meine körpereigenen Signale von Hunger und Sättigung wieder in Einklang zu bringen. Der Grund: Unser Appetit wird beeinflusst vom Wunsch, vom „Ersehnen einer Nahrung“, bzw. von der Vorstellung einer Speise, die uns (noch) etwas bedeutet. „Dies geschieht in der Weise, dass durch diese Gefühlsäusserung die sekretorischen Gehirnzentren beeinflusst werden, welche durch die Vagusnerven die Impulse in den Magen senden und dadurch das Fliessen des Magen- und Mundsaftes verursachen.“ (Dr. von Bororsini) Da ich den ‚Genuss’ von denaturierten, aromatisierten Nahrungsmitteln nicht mehr ‚ersehne’, mir das Zeug also nicht mehr schmeckt, werden bei mir auch nicht mehr jene Magen- und Mundsäfte frei, die mich früher gnadenlos dem Heisshunger nach diesem zweifelhaften Schrott ausgeliefert haben. (Ich speichle nicht mehr danach!) Wir geben unsere so genannte Lieblingsspeise erst auf, wenn das gewohnte Geschmackserlebnis kein Geschmackserlebnis mehr ist. Psychische und physische Reize sind Bedeutungsreize!
    Ich habe durch das Schmauen mein Gewicht von 100 Kilo auf 75 Kilo dauerhaft reduziert und meine bereits chronischen Magen- und Darmbeschwerden für immer kuriert. Bis zum heutigen Tag (also schon 17 Jahre danach!) habe ich meine „Traumfigur“ behalten. Und jeden Tag esse und trinke ich bis meine Ess- und Trinklust befriedigt ist und mir zu erkennen gibt, das es genug ist. Inzwischen haben schon drei wissenschaftliche Studien bewiesen: Schmauen unterbricht jedes dick und krank machende Essverhalten. Die Methode des Schmauens ist – weil mit Genuss assoziiert – sehr einfach zu erlernen, sie muss aber bis zur ’neuralen Vernetzung‘ ernsthaft trainiert werden.
    Fazit: Durch Schmauen hat man in wenigen Tagen nur noch Appetit auf gesunde, natürliche Grundnahrungsmittel, ja die einfachsten Lebensmittel avancieren zu den grössten Delikatessen. Jetzt ist eine „neue, gesundbewusste Kargheit im Speiseplan“ nicht nur „schick“ und „trendy“, sondern sie schmeckt uns auch am allerbesten. Und deswegen bleibt man dabei. Sie werden staunen, welche ungeahnten Tafelfreuden sich Ihnen gerade beim Ausschmecken der einfachsten Speisen erschliessen. Ich kann es nicht beschreiben, Sie müssen es selbst ausprobiert haben. Daher: Was sind Worte, wo Taten so viel mehr bedeuten!

    Unbändigen Spass beim Schmauen & Abnehmen
    wünscht Ihnen aus München

    Ihr Jürgen Schilling

    P.S.
    Das war nun kein Reklamespot für mein Buch „Kau Dich gesund!“.
    Nur meine Antwort auf Ihren Blog vom 31. 01. 07 – „Der Okinawa-Effekt“.
    Aber – ich gebe zu – wichtige Werbung für das genussreiche, investigative Schmauen.

  2. Cöppicus sagt:

    Lieber Herr von Grüningen, lieber Herr Schilling,

    ich bin froh, daß das Schmauen wieder auf dieser Seite zum Thema wird. Und da es mir – seit Anfang Dezember davon die Rede war – sehr wichtig geworden ist, und weil ich glaube, daß hauptsächlich darin mein Abnahmeerfolg begründet ist, hier ein paar Gedanken zu Okinawa etc.

    Ich lese Ihren Blog, Herr von Grüningen, täglich mit großem Interesse (das als Feedback zu Ihrer Überlegung, wohin und wie sich Ihre Messages wohl verbreiten), staune immer wieder über die so vielfältigen Informationen und bewundere Ihre sprachliche humorvolle Kreativität.

    Sie fragten sich/uns einmal, ob wohl unsere Urahnen Zeit hatten, das Erjagte in Ruhe zu verspeisen? Die Frage zielt darauf, ob das schmeckende Kauen eine neue Entdeckung (wie das Herr Schilling darlegt) oder nicht vielleicht doch eher eine Wiederentdeckung eines Nahrungsaufnahmestils ist? Gibt uns Okinawa dazu eine Antwort? Sagen die Studien etwas darüber aus, was und vor allem wie die alten Einwohner essen? Und muss nicht z.B. ein Asiate, der ein Schüsselchen Reis pro Tag verzehren kann, diese Speise langsam und genüsslich schmauen, um satt zu werden? Dies jedenfalls war meine Beobachtung auf den Philippinen.

    Die neue Kargheit — oder ‚schmauende Genügsamkeit‘, wie ich es bereits nannte — liegt durchaus im Trend. Trendforscher Horx und andere betonen unsere größten Ressourcen: Zeit und Genügsamkeit/Einfachheit (auch unter dem Motto: ‚simplify your life‘). Ich möchte Ihnen, Herr Schilling, Recht geben, da es meiner eigenen Erfahrung entspricht und mich auch logisch überzeugt: Das faszinierende Erlebnis des Ausschmeckens ist von größter Bedeutung; hier geschieht zutiefst Befriedigung durch Nahrung, Sättigungsgefühl stellt sich ein, ‚Gluscht‘ kommt gar nicht mehr auf!!! Ich entbehre also nichts, wenn ich vermeintlich verzichte. Im Gegenteil: die Freude am neuen Geschmack naturbelassener Nahrungsmittel, z.B. getrocknetem Brot und trockenem Reis, ist enorm. „Die einfachsten Lebensmittel avancieren zu den größten Delikatessen“ — das kann ich nur bestätigen.

    Hinzu kommt in diesem Prozeß für mich bestimmt auch, dass ich eine innere Stimme habe, die in der Kargheit oder Genügsamkeit einen positiven ethischen Wert sehen kann. Es wäre nicht das erste Mal, daß ich im Trend liege — ohne schick zu sein.

    Sorry, Herr von Grüningen, wenn ich auf Sie den Eindruck von belehrender Besserwisserei mache. Aber es interessiert mich doch: Wie geht es Ihnen mit dem Schmauen?

    Herzlich grüßt

Comments are closed.