2/2 Blinde Eltern
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 21:59 |
Wir sassen heute Nachmittag im kleinen Fernsehstudio von Ringier-TV für die Aufzeichnung der Diskussionsrunde Standpunkte von Samstag und Sonntag. Eine runde Stunde hatten wir Zeit, ausgehend von der aktuellen Kampagne von Gesundheitsförderung Schweiz die ganze komplexe Thematik der Übergewichts-Epidemie zu diskutieren.
Wir, das waren Dr. med. Bettina Isenschmid, Dr. med. Josef Laimbacher, Dr. med. Bertino Somaini (Direktor Gesundheitsförderung Schweiz) und ich, sozusagen als unmedizinisches Weltkind in der Mitten… Nein, in der Mitte sass Hannes Britschgi und moderierte. Und wir waren uns nach einem ausgiebigen Tour d’horizon einig: die Umkehr muss in der Familie beginnen. Wenn Kinder nicht zu dick und später adipös werden sollen, müssen sie früh lernen, sich richtig zu ernähren und sich ausreichend zu bewegen. Vorbild ist die Familie. Oder sollte sie sein. Josef Laimbacher hat im Raum Ostschweiz ein wegweisendes Modell entwickelt, Kinder im Gleichgewicht, das für kommende Lösungen schweizweit ein Muster sein könnte.
Aber es braucht noch viel, um dieses Ziel zu erreichen. Denn der Teufel steckt im Detail. Und das beginnt zum Beispiel damit, dass vielen Eltern das Sensorium fehlt für die Probleme ihrer Kinder. Das ist menschlich und verständlich. Eine aktuelle Studie aus Australien hat das erneut gezeigt:
1’200 Familien in Melbourne wurden befragt, wie sie denn das Gewicht ihrer Kinder einschätzten. Eltern von 5-6jährigen haben dabei zu 90% gesagt, ihr Kind sei normalgewichtig, obwohl es deutlich Übergewicht hatte oder gar adipös war. 63% der Eltern von 10-12jährigen erlagen dem gleichen Irrtum.
Viele Eltern werden sich des Problems erst bewusst, wenn ihr Kind in der Schule gehänselt wird – dann ist es aber oft schon zu spät. Und ähnlich verhält es sich mit der Meinung der Eltern, sie sorgten in der Familie für gesunde Ernährung und genügend Bewegung… auch hier zeigt sich, dass die Selbsteinschätzung und die gelebte Praxis zum Teil weit auseinander klaffen. – Wenn also Eltern, die im Kampf für ein gesundes Kindergewicht eine zentrale Rolle spielen, diese Rolle verantwortungsbewusst übernehmen sollen, müssen sie umfassend informiert und dauerhaft motiviert werden. Hier sind wir alle in mehrfacher Hinsicht gefordert.