14/6 Säntisblick
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 21:38 |
Das kann ja heiter werden. Der erste Abend in der Rehabilitation. Ein kurzer Rundgang der Neuankömmlinge durch die Klinik nach den Abendessen (das bekömmlich und sehr gesundheitsbewusst ist, und dennoch schmackhaft), und dann setzen wir uns auf die Terrasse. Nach und nach füllt sich der Tisch. Leute, die heute angekommen sind, solche von gestern. Rotwein, da sind wir uns einig, ist gut fürs Herz. Einige sprechen dem Saft aus dem Hause Möhl zu. Und bald sind wir – Ivo, Jürg, Markus, Martin und Charly – eine verschworene Gemeinschaft. Jeder hat seine medizinische Vorgeschichte, wir tauschen Erfahrungen aus, aber diskret. Es geht nicht darum, wer den extremsten Infarkt oder die gewagteste Operation hinter sich hat, jeder hat seine Bürde zu tragen, interessant ist jede Krankengeschichte.
Rückblick auf gestern mit dem Eingriff zu Studienzwecken: das Ereignis liegt in der Erinnerung schon recht weit zurück… Einmal mehr die Präzision der Maschinerie: du bist als Individuum quasi auf eine Installation aufgeschnallt, die dich mit Röntgenaugen durchschaut und auf unzähligen Bildschirmen zeigt, wie es in dir drin aussieht… und der Herr Doktor (PD ist er) erläutert zu diskretem Karibik-Sound mit gedämpfter Stimme, was er gerade tut und wie es sich anfühlen sollte… du bist hellwach und erlebst bei vollem Bewusstsein, wie sie dir mit einer Sonde ins Herz greifen, man „fühlt“ es zwar nicht, aber man weiss es und demzufolge vermeint man es zu spüren. Dann wird so etwas wie ein künstlicher Infarkt ausgelöst. Die Schmerzen, die Enge und Beklemmung kommen nochmals hoch, diesmal bei wachem Wissen… und du darfst sogar sagen, wenn der Schmerz zu stark ist… dann hört die Qual sofort auf. – Dreimal wird insgesamt eine Portion Stammzellen aus dem Knochenmark ins Herz gespritzt, dreimal die Beklemmung, dreimal die Erleichterung, wenn es vorbei ist… Es bleibt die Genugtuung, dass es gut verlaufen ist, und die Hoffnung, dass die Zellen etwas zur Regeneration der Herzregion beitragen werden…
Dann die Fahrt zur Rehabilitation. Einchecken, erste Kontrolle beim betreuenden Arzt… der mich eine halbe Stunde im Gang warten lässt… entweder, um mich in die meditative Musse des Kurbetriebs einzuweisen… oder weil er es mit meinem Vor-Kollegen besonders sorgfältig genommen hat. Als ich selber dran bin, zeigt sich, dass die zweite Variante zurtrifft. Gottlob.
Morgen geht es los mit einem Theorie-Vortrag noch vor dem Frühstück, dann kommt ein EKG unter Belastung, dann Wassergymnastik und am Nachmittag Atem-Technik mit Meditation… Wir lassen es ruhig anlaufen. Es können vier lustige Wochen werden.