16/6  Schonzeit

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:11

Das tut zwischendurch mal gut: quasi auf Rezept verordnetes Faulenzen… Am Vormittag noch eine einzige Gymnastiklektion. Gruppe 4, das sind die die nicht mehr oder noch nicht so gut zu Fuss sind. Und es ist ein völlig neues Gefühl von Gymnastik, das wir hier vermittelt bekommen, mit kleinen, gezielten Bewegungen, die zum Teil im Sitzen ausgeführt werden, vorsichtig, um die Operationswunden nicht zu strapazieren, wo sie vorhanden sind… Spielerische Übungen, z.B. ein Jonglieren mit feinen farbigen Gaze-Tüchern, das die Koordination der Bewegungen zwischen den Gehirnhälften schult und alte Reflexe weckt… Ich merke, dass mir das wöchentliche Training im Wasser zu einer recht guten Beweglichkeit verholfen hat, abgesehen davon, dass ich nun bei der geringsten Anstrengung ins Schwitzen und ausser Atem komme. Der Rest des Tages wird mit Sich-Räkeln, Dösen, Lesen verbracht… ich bin streckenweise sogar zu faul, um TV zu gucken.

Nach dem Mittagessen heisst es Abschied nehmen von einigen der bisherigen Patienten, deren Aufenthalt abgeschlossen ist. Ich lerne dabei eine Gruppe von meist jüngeren Menschen kennen, die von ihrem steten Begleiter sprechen, ein gemeinsamer Bekannter offenbar, namens Burny. – Hier sind nicht nur Herzpatienten zur Kur, ein wesentliches Kontingent ist wegen psychosomatischen Störungen da, und eine ziemliche Gruppe wegen Burnout. Diese Schilderungen machen betroffen. Da handelt es sich um irgendwelche altersbedingte Verschleiss-Erscheinungen oder um die Folgen eines sog. ungesunden Lebenswandels, sondern um Opfer eines gnadenlosen Berufsalltags, meist erfolgreich, aber strapaziös, der zu einer Rundum-Überforderung geführt hat, manchmal auch zu Problemen in der Beziehung, bis hin zum Blackout, zur Apathie und zum Versagen. Aber viele berichten von verständigen KollegInnen und Vorgesetzten, davon, dass sie sich freuen, an ihren alten Arbeitsplatz zurück zu können, auch wenn sich dort dann die dringende Aufgabe stellt, den bisherigen Arbeitsstil völlig umzukrempeln um nicht wieder in die alten Fallen zurückzutappen.

Hier, in der abgeschiedenen Berg- und Hügellandschaft am Stooss, lässt sich Ruhe und Beschaulichkeit finden. Aber das Problem hat ja schon früher angefangen. Es geht nicht nur die Betroffenen an, sondern alle, die dafür verantwortlich sind, dass unsere Systeme so und nicht anders funktionieren. Irgendwie schonungslos.