19/6  Grenzerfahrung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:58

Nach sechs Tagen Kur spürt man, wie der Leistungspegel langsam steigt. Zuhause habe ich es auf dem Hometrainer kaum eine Viertelstunde geschafft, ehe nicht der Hintern in wunde Rebellion ausbrach… hier habe ich sozusagen klaglos eine halbe Stunde geradelt, im Ergometertraining, verkabelt, alle paar Minuten eine automatische Blutdruckmessung und mit ferngesteuerter Leistungs-Anpassung, damit mein Puls immer schön im Trainingsbereich von 110 blieb. Vielleicht ist dies der Unterschied zwischen dem einsamen Strampeln im heimischen Umfeld und dem sanften Gruppendruck, dem man hier ausgesetzt ist und dessen Kollegialität mitträgt.

Weniger glimpflich bin ich heute beim Marschieren davongekommen. Angesagt war ein „ausgedehnter Spaziergang“, geplant auf anderthalb Stunden… was mich, der ich in der letzten Zeit kaum länger als fünf Minuten zur Tramhaltestelle am Stück gegangen bin, mit einiger Skepsis erfüllte. Aber nachdem das freundliche Trainerpaar uns aufgefordert hatte, jederzeit zu melden, wenn wir Probleme hätten, bin ich wohlgemut losgezuckelt, konnte anfangs noch prächtig Schritt halten, schliesslich bin ich in eine der schwächeren Gruppen eingeteilt. Als der Pfad aber von der sicheren Strasse weg und übers Feld etwas in die Höhe führte, fiel ich zurück und merkte, wie sehr mir die Übung abhanden gekommen war. Das Atmen fiel schwerer, die Hitze drückte und die Knie begannen zu schmerzen, wenn auch weniger stark als ich anfänglich befürchtet hatte.

Aber nach einer halben Stunde, als wir am Scheitelpunkt unseres Ausflugs angelangt waren, stand für mich und die Betreuer fest: es machte keinen Sinn, wenn ich mich nun den gleichen Weg wieder zurück quälen würde. Flugs war ein Wagen da, und die Mitwanderer trösteten mich freundlich, ich solle mir nichts daraus machen, das sei ihnen am Anfang auch passiert… – Nach Rücksprache mit dem Arzt wurde festgelegt, dass ich den Akzent stärker auf Wassergymnastik und Schwimmen legen müsste. Aber es war gut, etwas von den Grenzen zu erfahren, denen ich mich annähern konnte.

Schliesslich bin ich ja hier, um wieder zur „Normalität“ zurück zu finden. Das darf einige Anstrengung kosten, vor allem, wenn man so gut betreut wird.