8/7 Theorie und Praxis
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:33 |
Eine der zentralen Fragen, wenn wir mit Menschen, die abnehmen wollen, über Ernährung sprechen, ist die: Können Sie sich vorstellen, dass Sie in der Lage sind, diese bestimmte Ernährungsform von nun an bis an Ihr Lebensende erfolgreich in Ihren Alltag zu integrieren und zu praktizieren? – Wenn diese Frage bejaht wird, dann besteht eine Chance, dass die Umstellung erfolgreich ist und der fruinöse JoJo-Effekt vermieden werden kann.
Leider zeigt es sich bei den meisten Konzepten, die am Anfang blendend funktionieren, dass die Begeisterung nach einer gewissen Zeit nachlässt, dass die guten Vorsätze ins Wanken geraten und dass sich alte Verhaltensmuster ganz hinterlistig wieder ins tägliche Leben einschleichen… und in ihrem Schlepptau kommen auch die Kilos wieder.
Hier lässt eine neue deutsche Publikation aufhorchen, weil sie so ziemlich das Gegenteil vertritt von dem, was bisher als gängige Meinung der Experten galt: es geht um sogenannte Formula-Diäten. Das sind konzentrierte Nahrungs-Ersatz-Produkte, die anstelle einer Mahlzeit eingenommen werden und die dem Körper eine ganz bestimmte Energiemenge in ausgewogener Zusammensetzung zuführen, bei reduziertem Fett- und Kohlenhydrat-Gehalt, aber mit den überlebensnotwendigen Vitaminen und Spurenelementen. Dabei kann es sich um Suppen, Drinks oder Riegel handeln… Aber eben: keine frisch hergestellte Mahlzeiten, sondern vorgefertigte „Ersatz“-Produkte.
Der Autor, ein Experte vom Institut für Ernährungspsychologie der Universität Göttingen, kommt zum Schluss, dass solche Formula-Diäten sich in Langzeitversuchen gegenüber einer „normalen“ kalorien- und fettreduzierten Mischkost als überlegen gezeigt hätten. Er beklagt, dass – in Deutschland, aber das gilt auch für die Schweiz – solche Produkte und deren begleitende Beratung von den Krankenkassen nicht berappt würden.
Beim Verfasser handelt es sich um Thomas Ellrott, einen äusserst vielseitigen Adipositas-Spezialisten, der schon zahlreiche Bücher und Studien publiziert hat, denen man in aller Regel nicht Praxisfremdheit vorwerfen könnte… die aktuelle These von den Formula-Diäten im Dauerverzehr ist allerdings wenig vertrauenerweckend und sie widerspricht diametral allen Erfahrungsberichten, mit denen wir bis heute in der Beratung konfrontiert waren: die Drinks, Suppen und Cremen mögen anfänglich schmecken, aber sie haben ein sehr hohes „Verleider“-Potenzial und wecken auf Dauer verhängsnisvolle Gelüste nach deftiger und „richtiger“ Kost… Hier klaffen Theorie und Praxis mächtig auseinander. Oder handelt es sich am Ende gar um ein Gefälligkeitsgutachten?