22/9  7 Handlungsachsen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:54

Jetzt wirds konkreter. Vor drei Tagen habe ich versucht, mehr herauszufinden über die Empfehlungen der Lebensmittelindustrie in Sachen Übergewichtsprävention. Wie sich jetzt zeigt, wurde eine Zusammenfassung publiziert im Online-Magazin der Lebensmittelbranche: foodaktuell.ch.

Im Vordergrund steht ein Vorschlag für die Nährwertdeklaration, der sich am GDA-Prinzip orientiert (guideline daily amount = Empfehlungen für den Tagesbedarf), ausgehend von einem „normalen“ Tagesverbrauch von 2000 Kilokalorien für eine erwachsene Person. Diese Formel macht sich gut, sie wirkt transparent, aber sie hilft nur denen, die ohnehin schon ernährungsbewusst einkaufen. Für Kinder oder Menschen mit geringerer Bildung ist die Umrechnung nicht ausführbar, hier helfen einzig klare, einfache Farbsignale mit den Botschaften „rot“, „gelb“ und „grün“… die verpönte „Ampel“, die in England bereits zu einer deutlichen Veränderung des Kaufverhaltens geführt hat, ist durch noch so raffinierte Darstellungen nicht zu ersetzen, denn diese sind schlicht zu kompliziert.

Deklaration ist das eine. Daneben skizziert die Industrie (bzw. eine von ihrem Dachverband eingesetzte Arbeitsgruppe) noch sechs weitere „Handlungsachsen“:
– Optimierung der Produkterezepturen
– kleinere Portionengrössen
– Anpassung der Angebote in den Verkaufsautomaten
– Selbstbeschränkung der an Kinder gerichteten Werbung
– Sensibilisierung der Konsumenten für eine gesunde Ernährung
– Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz

Und alles in freiwilliger Selbstverantwortung. – Das sind ja interessante Stichworte. Mit der eigentlichen Tätigkeit der Lebensmittelproduzenten hat nur ein Teil davon zu tun. Wie bitte soll die Industrie eine „Sensibilisierung der Konsumenten für eine gesunde Ernährung“ bewerkstelligen, wenn die Werbung, die sich an Erwachsene richtet, uns tagtäglich den Schwachsinn von „Verdauung gut – alles gut“ ins Hirn hämmert, von der Stärkung der Abwehrkräfte faselt und energiedichte Produkte auf den Markt wirft, die kein Mensch zum Leben braucht?

Als wir von unserer Stiftung aus vor Jahren Kontakt mit dem Industrieverband aufnahmen, um zu fragen, ob man uns mit einem bescheidenen Betrag in unserer Aufklärungsarbeit unterstützen möchte, war die Antwort ein knappes Nein. Es gibt genügend Organisationen und Institutionen, die sich eine neutrale Verbraucherinformation zur Aufgabe gemacht haben, die untereinander vernetzt sind, die aber in der Regel um die Finanzierung ihrer Arbeit kämpfen müssen. Ob entsprechende Aktivitäten der Lebensmittelbranche da sehr glaubwürdig wirken, darf bezweifelt werden. Aber es geht nichts über den freien Willen und die eigene Verantwortung.