1/11 Fat & beautiful
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:43 |
Wahrscheinlich haben wir alle schon irgendwo einmal, und wäre es nur auf dem Flohmarkt, eine dieser betörenden, süss-kitschigen Figurinen gesehen, die aus dem Hause Florence Studio stammen. Bemalte Porzellangestalten, Puttenengelchen, schelmische Kindlein, verschmitzte Trolle und was die Fhantasie nicht alles hergibt, um den besten aller Jöööö-Effekte zu generieren… Auf dem Nippes-Tablar findet man sie, bei gewissen Leuten (gelegentlich Taxifahrern) auch auf dem Armaturenbrett im Auto installiert, als Schutzengelein über der Werkbank, flügelschlagend auf den Spiegel beim Boudoir geklebt…
Und nun kommt uns diese Figuren-Manufaktur mit einer neuen Linie, in der die Kunst mit der zunehmenden Natur verschmilzt. Da gibt es Abbildungen oder vielmehr Nachbildungen, die ganz eindeutig grosse Meisterwerke der Klassik imitieren und auf eine heimtückische Art verfremden, indem sie das bekannte Sujet raffiniert in einer massiv übergewichtigen Dimension darstellen:
Michelangelos David etwa, unverkennbar der Marmorjüngling… aber wie sieht er aus? Mit aufgedunsener Wampe und stämmigen Oberschenkeln, zwischen denen das eh schon kurze Zipfelchen fast ganz verschwindet. – Oder Botticellis Schaumgeborene Venus, eine Wuchtbrumme in fleischiger Fülle, die sich aus einer gewaltigen Muschelschale stemmt… – Dann ein altgriechischer Bacchus, der sich als verquollener Kloss am Boden rollt, mit zum Zerreissen gespanntem Hemdchen über dem Wanst… – Und die Marylin Monroe-Parodie, mit aufgewehtem Röckchen, so bombastisch und erdenschwer, dass kein Orkan sie auch nur einen Millimeter zu bewegen vermöchte…
Was wollen die umtriebigen Florentiner Modellisten uns mit diesen und mehr als einem Dutzend weiterer Figuren aus der Alltagskunst denn eigentlich sagen? Dass jede klassische Performance ohne ästhetische Einbusse auch in eine adipöse Welt passen könnte? Dass Schönheit, weil sie im Auge des Betrachters liegt, nicht an vertraute Formen gebunden ist sondern sich wild und zügellos entfalten kann, wo und wie immer es ihr passt? Wollen sie uns Schwergewichten Trost spenden und uns signalisieren, dass wir es mit jeder Kunstwerk aufnehmen können, wenn wir uns selber akzeptieren? – Oder geht es um das pure Gegenteil? Sind diese Figuren ein mahnendes Menetekel, das uns zuruft: Nehmt ab, wenn ihr nicht wollt, dass das vertraute Schöne vollends aufquillt und verkommt? – Den Reim darauf muss jeder und jede sich selber machen. Was meinen Sie?