17/11  Essen mit Medien

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:41

In Amerika sei es ganz schlimm, sagte man uns früher immer, dort würden die TV-Geräte den ganzen Tag über laufen, wie bei uns das Radio… und selbstverständlich sei der Kasten auch während des Essens eingeschaltet, was noch viel schlimmer war, weil ungesund. So steht es auch in jeder Beratungsschrift für richtige und gute Ernährung: ja nicht Fernsehen schauen während der Mahlzeit!

Ist da wirklich was dran? Oder ist das nur eine Verhaltenslegende, eine von vielen? – In der Universität von Minnesota wollte man es genau wissen. Verschiedene Studien über das Essverhalten von Schülern, am Familientisch, allein, mit oder ohne TV, haben zu einem erstaunlichen Resultat geführt, wie die New York Times berichtet: kurz zusammengefasst lautet die Botschaft, dass die Schüler deutlich „gesünder“ (also mehr Früchte und Gemüse und nicht so schnell) assen, wenn sie im Familien-Verband speisten, und zwar unbesehen, ob der TV-Apparat lief oder nicht. Die Familie (und damit wohl eine gewisse elterliche Aufsicht) ist also entscheidend, und nicht der Betrieb des TV-Geräts.

Zwar gab es gewisse negative Differenzen zwischen den Familien mit und denen ohne TV, aber diese waren weit geringer, als gemeinhin angenommen. Problematisch scheint also vor allem zu sein, wenn man allein vor dem Fernseher sitzt und dabei isst. Grund genug, die Tradition des gemeinsamen Essens hochzuhalten, ja sie bewusst zu pflegen, dort, wo sie in Vergessenheit zu geraten droht. Auch wenn wir kaum mehr die Zustände rekonstruieren können, wie sie in unserer Kinderzeit waren.

Wenn wir heute zu zweit am Mittagstisch sitzen, erinnere ich mich gelegentlich an meine eigene Kindheit, von der ich grosse Teile auf dem Bauernhof bei der Familie von Tante Ella und Onkel Otto verbrachte. Da war man bei Tisch nie weniger als zehn Personen: die Eltern, wir drei Kinder, der Melker, der Karrer, der Meisterknecht, die beiden Mägde und die Lehrtochter und wenn ganz unten am Ende der langen Tafel noch ein Besucher sass, so war das Dutzend voll. Es herrschte eine klare Ordnung, geredet hat nur, wer gefragt wurde, gegessen wurde von allem, es gab reichlich und das meiste stammte aus der eigenen Produktion und war naturbelassen.

Fernsehen gab es damals noch nicht… Aber vergleichbar in der Zeit war das Radio, das genau um halb eins das Zeitzeichen von Neuenburg pfiff, worauf jede Konversation verstummte und die Beromünster-Nachrichten uns die Welt erklärten. Das Medium war also damals schon dabei und gehörte zum Essen. Geschadet hat es uns nicht. Das Übergewicht kam später.