20/1  Herausforderung

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:17

Am Nachmittag in St. Gallen dann am Vortrag von PD Dr. med. Bernd Schultes. Der Saal etwa zur Hälfte gefüllt, es sind auch Betroffene da. Es geht um die Zusammenhänge zwischen Übergewicht/Adipositas und verschiedenen Krankheiten, von der Depression im Jugendalter bis zum vorzeitigen Herztod und dem Hirnschlag. Die Aussagen sind klar und präzise formuliert, die Korrelation zwischen der häufigeren Erkrankung und dem zunehmenden Körpergewicht ist weltweit evidenzbasiert. Wer das nicht wahrhaben will ist wie ein Holocaustleugner: Ideologie wider besseres – und allgemeines – Wissen.

Aber dieser Aspekt ist nicht das Thema. In der anschliessenden Fragerunde branden wie Blitzlichter verschiedene Positionen auf: ein alter Mann meldet sich zu Wort. Er sei nie übergewichtig gewesen. Als er nach seiner Pensionierung sieben Kilo zugenommen habe, habe er sich strikt an „FdH“ gehalten und konsequent weniger gegessen, jetzt sei er wieder schlank. Er verstehe nicht, wo das Problem liege, jeder, der wolle, könne dünn sein, das sei eine reine Willenssache. Applaus im Saal. – Schultes reagiert gelassen: der Mann gehöre offenbar zu der kleinen Gruppe von Menschen, denen es leicht fällt, ihr Essverhalten zu kontrollieren; aber „FdH“ sei kein Patentrezept gegen die Adipositas-Problematik und für die Mehrzahl der Betroffenen nicht praktikabel. – Eine Dame will wissen, was er von Fettabsaugen hält: keine Lösung für Adipositas, allenfalls von einem begrenzten kosmetischen Nutzen… – Ob er die drei wichtigsten Empfehlungen fürs Abnehmen zusammenfassen könne, will ein weiterer Zuhörer wissen. Nein, sagt Schultes, wenn er das könnte, wäre er ein gemachter Mann… die Thematik ist zu komplex und zu differenziert sind die verschiedenen Auslöser, als dass man sie pauschal und mit simplen Methoden angehen könnte… – Darauf will einer aus dem Betroffenen-Kreis doch auf die Grundpfeiler jeder Verhaltensempfehlung hinweisen: wenn immer möglich gehen statt fahren, Vollkorn statt Weissbrot, Treppe statt Lift… Schultes pflichtet zwar im Grunde bei und dankt für die Anmerkung… aber auch hier: nicht jeder Fall von Adipositas-Erkrankung kann auf diese einfache Formel reduziert werden. – Einer will wissen, wie gross denn der Anteil jener Patienten sei, bei denen die Adipositas durch eine Hormon-Störung hervorgerufen ist. Weniger als ein Prozent lautet die Antwort, soviel man heute wisse. – Zum Schluss die Frage: ist Adipositas heilbar? Nein, heisst der Bescheid. Die „Anfälligkeit“ für Übergewicht ist chronisch und unheilbar. Man muss lernen, damit zu leben. Das ist die Herausforderung.