24/1 Wohl-Stand
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 18:49 |
Das ist das jährliche Klassentreffen der Gesundheistfördernden Institutionen, diesmal in Interlaken, bei strahlend schönem Wetter, im ehrwürdigen Gemäuer des Casino-Kursaals, und es sind fast alle gekommen, obwohl das Thema sehr allgemein gehalten ist.
Einer der Akzente am ersten Tag war ein Roundtable-Gespräch am langen Tisch, witzig und provokativ moderiert von Politguru Ivan Rickenbacher, der es verstand, die verschiedenen Exponenten aus der Reserve zu locken. – Ist Gesundheitsförderung ein Einzelkampf oder eine kollektive Herausforderung? lautete die Einstiegsfrage, und da waren sie, der Präsident der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz, der Direktor des Bundesamtes für Gesundheit, der kantonale Finanzdirektor aus der Zentralschweiz, der langjährige Präsident der Gesundheitsorganisation Radix und ein Vertreter der Wirtschaftsorganisation Seco.
Gemeinsames und Trennendes wurde ausgelotet: pikant, dass die Stiftung Gesundheitsförderung zwar zum zehnten Mal bereits diese Tagung ausrichtet, dass sie aber also Organisation in einer Präsentation des BAG zum neuen Präventionsgesetz nicht eindeutig eingebunden war… Ging es hier um Signal, an dem gerätselt werden durfte? Joachim Eder, Zuger Gesundheitsdirektor und Gesundheitsförderungs-Präsident, liess sich nicht einschüchtern: er bleibt auf der Kommandobrücke, hat er doch die Leitung erst vor einem knappen Jahr übernommen.
Zu denken gab eine Aussage von BAG-Direktor Thomas Zeltner. Unter Verwendung eines Zitats aus England führte er aus: Health is Wealth and Wealth is Health, was so viel bedeutet wie: Wohlstand und Gesundheit gehören untrennbar zusammen. So quasi in Analogie zum guten Bertolt Brecht, den man sagen hört: Nur wehr im Wohlstand lebt, lebt angenehm.
Dies freilich – und das mag wohl auch für das Englische Zitat gelten – ist eine Feststellung aus anderer Zeit und aus anderer Perspektive, formuliert von den Vertretern der Unterschicht, die in Armut und Entbehrung leben. Was ist denn, war man versucht zu fragen, mit der Tatsache, dass Übergewicht und Adipositas u.a. eine typische Wohlstands-Krankheit sind? Wenn es uns heute schon so gut geht, dass bald die Hälfte der Schweizer zu dick sind, dann ist der Wohlstand in gewisser Hinsicht zur Plage geworden! Zeltner schränkte dann auch vorsichtig verklausuliert ein: es gebe natürlich durchaus auch negative Erscheinungen im Zusammenhang mit dem Wohlstand. Man hätte es sich durchaus etwas deutlicher gewünscht.
Und dann war da noch der Seco-Vertreter: er lobte – wie auch sonst – die Selbstverantwortung der Wirtschaft, die zu ihrem Wohlergehen darauf angewiesen sei, dass der Bund keine einschränkenden gesetzlichen Regelungen erlasse. Und wenn es der Wirtschaft gut gehe, dann gehe es allen gut. – Gemach, hätte man hier einwenden mögen: Lass dir und deiner Wirtschaftslobby gesagt sein, Freund, dass das Wachstum der Lebensmittelindustrie heute und in Zukunft nur noch auf den Hüften und am Bauch der armen Teufel stattfindet, die von der Natur das genetische Geschenk bekommen haben, dass sie für allfällige Notzeiten Speck ansetzen können… – Mit dem glücklichen Drittel derer, die essen können, was sie wollen, und dabei schlank bleiben, ist kein Wachstum zu erzielen. – Aber: nach dem Podium gab es keine Plenumsdiskussion.