19/2  Oh läck du mir..!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:07

Das mit dem Lecken ist so eine Sache. Kommt ganz drauf an, wer wem wo… Neu ist jetzt offenbar, dass es Werbung gibt mit Inseraten, die man Lecken kann.

Pionier in dieser Sache ist eine amerikanische Getränkefirma, die Traubensaft herstellt. Abgebildet ist z.B. im People-Magazin eine Flasche mit Welch’s 100%-igem Traubensaft. Daneben befindet sich eine aufgeklebte Etikelle, die sich ablösen und ablecken lässt. So bekommt man einen einprägsamen Geschmackseindruck des neuen Getränks. Denn, und davon sind die Werbefachleute überzeugt, was man über die Zunge sinnlich erfährt, bleibt nachhaltiger in Erinnerung als eine nur visuelle Botschaft.

Nun ist aber die neue Werbestrategie nicht unproblematisch. Von Anfang an gab es eine ganze Reihe von Auflagen bezüglich Produkte-Sicherheit zu erfüllen. Denn es reichte ja nicht, das Inserat einfach mit dem Original-Traubensaft zu benetzen… zuerst musste eine Aroma-Komponente kreiert werden, die geschmacklich genau dem beworbenen Produkt entsprach, die sich im Druckverfahren industriell bearbeiten liess und dabei lebensmitteltechnisch unbedenklich war… – Dazu kam noch das Benuzter-Risiko: wenn im Wartezimme beim Arzt oder beim Coiffeur schon jemand vorgeleckt hat – was dann? Dann ist sein Speichel auf dem Aroma-Streifen und der Nachlecker riskiert, statt des Traubensftes den Geschmack von Knoblauchbrot oder Pizza Marinara, allenfalls von Döner Kebab wahrzunehmen. Kann das im Interesse des Saftfabrikanten liegen?

Eigentlich sollten wir ja gar keine 100%-igen Fruchtsäfte konsumieren, da sie mit ihrem wunderbaren Fruchtzucker ziemliche Kalorienbomben darstellen… und doch wollen die Produkte verkauft werden. Wie raffiniert wir als Käufer „angefixt“ werden sollen, das zeigt der Versuch mit den Leck-Inseraten, nachdem es um die Rubbel-Duft-Inserate wieder etwas stiller geworden ist. Da kommt noch etwas auf uns zu, läck Bobby!




18/2  Gefragt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:32

Es kommt mir vor, als möchten alle alles wissen. Und immer von mir. Das schmeichelt natürlich. Aber es macht gleichzeitig auch verantwortlich. – Natürlich ist der erste Stiftungszweck, wie er in der Gründungsurkunde der Schweizerischen Adipositas-Stiftung formuliert ist, die Information und die Aufklärung. Und es gehört demnach zu unserer Kernaufgabe, die Öffentlichkeit zu suchen, das Thema und die Problematik bekannt zu machen. Aber in den letzten Tagen hat es sich gehäuft.

Heute war eine Journalistin des alternativen Lokalradios Kanal K aus Aarau bei uns; in einem 15-minütigen Interview wollte sie alles wissen über Entstehung, Behandlung und Prävention der Adipositas. Sie hatte sich sorgfältig vorbereitet, keine Frage ausgelassen und es wurde ein knapper Slalom zwischen den Wendemarken der Zeit und der Inhalte. Letzte Woche erhielt ich ein Interview zum Gegenlesen, das ein halbstündiges Gespräch auf einer halben A4-Seite zusammenfasste… ich erkannte kaum wieder, was ich gesagt haben sollte. Ein Magazin wollte heute Morgen ein Sofort-Statement, was ich denn von der Kampagne der Gesundheitsförderung Schweiz halte, ob die wirklich ihr Ziel erreiche? Nächste Woche habe ich einen Termin bei Radio Capital FM in Bern (der Lokalsender nannte sich früher glaub „ExtraBE“), und Anfang März muss ich in Lausanne bei einem welschen Privatsender antreten. In Planung ist eine Serie auf Radio 24…

Im Prinzip ist das super, das Thema ist angesagt, neutrale Information gefragt. Das merke ich auch, wenn ich zwischendurch wieder einmal dazu komme, die schriftlich per E-Mail eingegangenen Anfragen abzuarbeiten: wir können und dürfen die Leute ja nicht im medizinischen Sinn „beraten“, aber wir können ihnen verständliche Informationen abgeben und sie orientieren über die Anlaufstellen in ihrer Region, wo sie fachliche Hilfe bekommen. Vielen Reaktionen gemeinsam ist der Dank für eine unabhängige, sachliche Orientierung, die publikumsgerecht formuliert ist. Angesichts der Überfülle an Theorien und Konzeptionen, Empfehlungen und Programmen fällt vielen Betroffenen diese Orientierung schwer. Aufklärung ist gefragt.




17/2  „Rohes“ Pepsi?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:51

Die Tatsache, dass das am meisten verbreitete colahaltige Brausegetränk einer der Hauptsponsoren der Fussball-Europameisterschaft ist, bringt es zwangsläufig mit sich, dass diese bräunliche Flüssigkeit im Alltag omnipräsent ist auf Plakaten, in Kino- und TV-Spots, als Strassenbahn, an Hauswänden, in Inseraten… und zwar in allen seinen verschiedenen Versionen von „normal“ über „light“ bis „zero“…

Da darf es denn nicht verwundern, dass der ewige Zweite am Markt, das etwas andere Colagetränk, im PR-Schatten des EM-Sponsors einen eigenen neuen Auftritt entwickelt hat, mit dem es die Öffentlichkeit sucht. Pepsi Raw heisst das Ding, was so viel bedeutet wie „roh“, unbehandelt, natürlich. Und genau das ist die Botschaft. Seit sich in England offenbar ein deutlicher Konsumtrend gegen „künstliche“ Nahrungsmittel formiert, erleben natubelassene und ohne Konservierungsmittel hergestellte (oder zumindest als solche angepriesene) Ess- und Trinkwaren einen Boom.

Die englische TIMES hat deshalb einen Blind-Test mit Jugendlichen durchgeführt und das künstliche Original und die natürliche Neuerung gegeneinander probieren lassen. Dabei ist herausgekommen, dass die Kids das neue Produkt eindeutig als „besser“ einstufen: es erinnere sie an Apfelsaft, sei schmackhafter… während ältere Probanden sich schon zu stark an das traditionelle Gebräu gewöhnt hatten, um an der Neuerung Geschmack zu finden.

Der Test lehrt uns, dass Kinder in jungen Jahren noch an Neues (sprich: Gesundes) gewöhnt werden könnten… obwohl: als „gesund“ will Pepsi das neue Getränk bewusst nicht verkaufen, um keine falschen Hoffnungen zu wecken. Aber die Reaktion der Kleinen im TIMES-Test bestätigt eine Studie, über die auch am 1. St. Galler Adipopsitas-Symposium berichtet wurde: wenn eine Mutter während der Schwangerschaft ganz verschiedene Gemüse und abwechslungsreiche Speisen isst, so nimmt der Fötus im Mutterleib über den Blutkreislauf die speziellen Geschmacksrichtungen wahr und ist später als Kind bereit, diese Speisen wieder zu essen, an die es sich von früher her „erinnert“… Während Kinder von Müttern, die sich einseitig bloss von Pasta oder Fastfood ernährt haben, die andern, ungewohnten Angebote zurückweisen. Diese Erkenntnis hat Eingang gefunden in verschiedene Adipositas-Präventionsprogramme, wie sie werdenden Müttern schon heute vermittelt werden. – Auf den Geschmack kommen ist alles.




16/2  Biedermann und das Fett

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:59

Max Frisch hat das Stück vor fünfzig Jahren geschrieben und es handelt vom Herrn Biedermann, der in seinem Hause einigen zwielichtigen Gestalten Unterschlupf gewährt, sich mit ihnen gut zu stellen versucht, obwohl er weiss oder ahnt, dass es sich um Brandstifter handelt, in der Hoffnung, er könnte dadurch einem Anschlag entgehen, was sich aber als Irrtum erweist.

An diesen Theaterstoff musste ich denken, als ich im Rahmen des St. Galler Adipiositas-Symposiums dem Vortrag von Dr. med. Stefan Bilz zuhörte. Es ging um die Pathophysiologie der Adipositas und des mtabolischen Syndroms und um die Frage nach dem Einfluss der Genetik und des Lebensstils. Ein wesentlicher Teil des Referates galt dem Bauchfett, auch viszerales Fett genannt, das weit mehr ist als eine sich auf der Waage bemerkbar machende Ansammlung von Zellen, welche eigentlich als Energiereserve für magere Zeiten dienen sollten (wie beim Bär im Winterschlaf), sondern das mittlerweile erkannt ist als quasi ein „Organ“ mit eigenen organischen Aktivitäten: das Fett produziert eine Vielzahl von Hormonen, die sich einerseits auf den Stoffwechsel auswirken, die anderseits aber auch begleitende Krankheiten auslösen und beeinflussen können

Die Pölsterchen, die sich da so scheinbar harmlos um unsere Innereien schmiegen, entwickeln in aller Heimlichkeit ein Eigenleben, nehmen Besitz von unserem Körper, machen sich bemerkbar auf verschiedene Weise und entpuppen sich als richtige Egoisten, die auf ihr eigenes Wohlergehen, ihren Vorteil bedacht sind und uns auf sanfte Weise dazu bringen, für Nachschub zu sorgen. Dieses Fett stellt den eigentlichen Risikofaktor für die meisten der Begleiterkrankungen dar. Die Wahrscheinlichkeit, dass man von ihnen betroffen wird und dass sie zum Ausbruch kommen, steigt mit zunehmendem Gewicht bzw. Bauchumfang.

Und da sind wir dann in der Lage des guten Gottfried Biedermann: es nützt nichts, wenn wir uns mit unserem Fett arrangieren, wenn wir pfleglich mit ihm umgehen, wenn wir es bei Laune zu halten versuchen… es hat nur diesen einen Instinkt, den die Natur ihm eingegeben hat, und der sich für uns über kurz oder lang schädlich auswirken kann. – Es ist, als würde da in uns eine Fettbombe ticken… harmlos und freundlich gibt sich die Masse zunächst… vielleicht ist der Countdown schon programmiert, wir wissen es nur noch nicht. Und es ist kein James Bond in der Nähe, der mit einer freinen Zange in der vorletzten Sekunde die Drähte am Zündmechanismus durchtrennen könnte und auch noch weiss, ob der rote oder der blaue der richtige ist.

Wir sind weitgehend auf uns selber angewiesen, beim Versuch, die Masse in ihre Schranken zu weisen. Und wir wissen zugleich, dass es ein lebenslanger Kampf sein wird, denn das „Fett-Organ“ ist hartnäckig, es vergisst nicht und es kennt uns so gut, dass es uns jederzeit wieder austricksen und überlisten kann. In acht von zehn Fällen mit Erfolg.




15/2  Verlorene Generationen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:44

Die zwei Tage des ersten St. Galler Adipositas-Symposiums sind vorbei. Es war ein voller Erfolg, das Interesse gross und die Referate kompetent, verbunden mit guten Möglichkeiten zur fachlichen Vernetzung. Am Donnerstag die wissenschaftliche Auslegeordnung zum aktuellen Stand der Erkenntnis, für Insider nicht unbedingt „neu“, aber in der Fülle der Inhalte gerade für alle VertreterInnen anwendender Berufe eine erstklassige Informationsquelle. Und einige Befunde wurden aus einer ungewohnten Perspektive präsentiert, die es lohnt, genauer angesehen und reflektiert zu werden.

Am Freitagvormittag dann eine politische Bestandesaufnahme: ein fulminanter Vortrag der Sportmedizinerin Christine Graf (Köln), die eine umfassende Darstellung eines idealen Programms zur Adipositas-Prävention gab, dann der interimistische Abteilungsleiter „nationale Präventionaprogramme“ aus dem BAG, Martin Büechi, der als nüchterner Pragmatiker die politischen Realitäten unseres Systems skizzierte, mit denen bei der Umsetzung eines solchen Projektes in der Schweiz zu rechnen ist, und schliesslich Thomas Mattig, Direktor der Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz.

Es lag auf der Hand, dass zwischen dem ungeduldigen und erwartungsvollen Drängen, das auf Seiten der Mediziner zu verspüren war, und der vorsichtigen, illusionslosen Haltung der Vollzugsbeamten im Gesundheitsdienst eine massive Lücke klaffen würde. Seit den 90er Jahren machen Ärzte und Wissenschafter auf die Dringlichkeit des Problems der Adipositasepidemie aufmerksam, und erst in den letzten zwei, drei Jahren sind die Dinge endlich ins Rollen gekommen… Und nun wird mit einer fast nonchalanten Selbstverständlichkeit darauf hingewiesen, dass der Prozess eben seine Zeit brauche und auch wenn jetzt zügig an Gesetzesgrundlagen und Massnahmen gearbeitet würde, dies doch für eine bis zwei Generationen von Kindern, die heute übergewichtig heranwachsen, noch keine Lösung bringen wird…

„Verlorene Generationen“ seien bei einem solchen politischen Langzeitvorgang zwangsläufig in Kauf zu nehmen… – Die Perspektive ist bedrückend und löst Wut und Betroffenheit aus. Die Fachwelt ist sich einig, dass es bereits „fünf vor Zwölf“ ist und dass Handeln dringendst angezeigt wäre. Dem wird (von vernünftigen Leuten) nicht einmal widersprochen. Aber weil die politischen Voraussetzungen in der helvetischen Republik nun einmal anders sind, wird es so schnell nicht gehen können. Basta.

Wenn dem so ist und wenn es wirklich diese ein bis zwei Generationen von Menschen in unserem Land geben wird, für die jede vorsorgerliche Hilfe, das Problem erfolgreich zu vermeiden, zu spät kommt, dann sollte von den entsprechenden Entscheidungsträgern wenigstens dafür gesorgt werden, dass die dermassen „Betroffenen“ eine optimale Unterstützung und Hilfe erhalten bei der medizinischen Behandlung ihrer unweigerlich anfallenden Krankheiten. (Das gilt im übrigen selbstvertändlich auch für die mehr als eine halbe Million Adipositas-PatientInnen, die heute schon an dieser Krankheit leiden und die ein bis zwei Millionen, die es noch tun werden!) – Aber auch hier ist die Perspektive eher düster: Seit Anfang 2008 müssten die Krankenkassen von Gesetzes wegen gewisse therapeutische Leistungen für übergewichtige Kinder bezahlen… aber noch streiten sich die Instanzen darüber, wie hoch die Ansätze sein sollen und unter welchen Bedingungen welche Leistungen wirklich kassenpflichtig sind. – Die Arbeit geht uns nicht aus. Das Symposium hat dies mit aller Schärfe aufgezeigt. Dafür gebührt den Veranstaltern unser Dank.




13/2  Neue Frauen

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:41

Man erinnert sich: vor einem Jahr hat die Spanische Regierung ihre Absicht kundgetan, nach verschiedenen Vorfällen mit ausgemergelten und kränkelnden Models einen Akzent zu setzen und die Frage des „normalen“ Gewichts und der entsprechenden Kleidergrössen für Frauen zu überprüfen.

Heute nun meldet heute (unter Berufung auf die NZZ), dass der Vorsatz in die Tat umgesetzt wurde: das spanische Gesundheitsministerium habe 10’000 Frauen vermessen lassen. Mit dem Resultat, dass fast die Hälfte davon aufgrund der geltenden Grössennorm keine passenden Kleider finden würde. Deshalb soll jetzt ein neues Kleider-Masssystem erarbeitet werden, das den aktuellen Bedürfnissen und Proportionen der Frauen besser entspricht. Grosse Modehäuser hätten zugesagt, die neuen Mass-Einheiten zu übernehmen.

Man darf gespannt sein, wann das auch bei uns „in“ wird. Die Kampfansage an den Schlanhietswahn ist auch hierzulande überfällig.




12/2  Notwehr

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 17:36

Ich weiss, es gibt Blog-LeserInnen, die möchten nicht, dass hier „politisiert“ wird. Aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden. Ich habe heute für die nächste Nummer unseres Magazins eine Übersicht zu erstellen versucht über die Stellungnahmen der verschiedenen politischen Parteien zum Programm des Bundesamtes für Gesundheit BAG bezüglich der Förderung von gesundem Körpergewicht (Nationales Programm Ernährung und Bewegung NPEB).

Am 21. Januar ist die Frist für eine Vernehmlassung („Anhörung“) abgelaufen und auch die verschiedenen Parteien haben ihre Eingaben bzw. ihre Meinung zum Thema ins Internet gestellt. – Einen ganz speziellen Beitrag hat die Schweizerische Volkspartei SVP geleistet. Sie betet einerseits die fahrlässig kompilierte und von der Weltwoche verbreitete Litanei herunter, wonach es bewiesen sei, dass Übergewichtige in bestimmter Hinsicht „gesünder“ seien als Normalgewichtige, und anderseits holt sie am Schluss zu einem Rundumschlag gegen das ganze Gesundheitswesen aus:

Heute lebt eine regelrechte Industrie von Verwaltungsangestellten, Beratungsbüros und anderen Gesundheitssektierern vom Angsteinflössen der Bevölkerung vor der Fettsucht. Gerade in Zeiten des Schönheitswahns fällt es der Verwaltung besonders leicht, mit der Angst der Bürger Steuergelder einzuverleiben. Doch der konkrete Nutzen der Massnahmen tendiert gegen Null. Die Gelder versickern – und nach Anwendung der Massnahmen leiden nicht mehr nur ein Teil der Bürger, sondern auch der öffentliche Haushalt an massiver Fettsucht.

Soweit die Gesundheitsfachleute der wählerstärksten Partei im Schweizerland. Nun wissen wir, was wir sind. Jetzt geht es nicht mehr lang, und sie setzen den Begriff der Scheinadipösen offiziell in Umlauf… ich habe das im letzten Mai ja quasi schon vorausgeahnt und es ist rascher eingetroffen, als befürchtet. Wie wehrt man sich gegen solchen politisch unterfütterten Schwachsinn? Am Ende bleibt uns nur noch Notwehr.




11/2  Das Bild zur Gier

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 20:31

Wie hat man sich das denn vorzustellen? Wie läst sich „Gier“ bildlich umsetzen? Ein Beitrag in der nächsten Ausgabe unseres Magazins saps.ch handelt davon, dass viele Leute, die versuchen, ihr Essverhalten strikt zu kontrollieren, unvermittelt von Gier-Attacken befallen werden können… dass ein kleiner „Fehltritt“ genügt, eine winzige Abweichung von der konsequenten Einhaltung der Regeln… und schon stürzen die guten Vorsätze wie ein Kartenhaus in sich zusammen, alle Dämme brechen, die Schleusen öffnen sich und es wird gegessen ohne Rücksicht auf Verluste, als gälte es nachzuholen, was man dank Disziplin versäumt hat.

Aber mit welcher Illustration verbildlicht man nun einen solchen Text? – Im Internet gibt es Bildagenturen, wo man Sujets für grafische Illustrationen käuflich erwerben kann. Man gibt ein Stichwort oder eine Kombination ein, wie bei jeder Suchmaschine, und schon prasseln die Bilder heraus… zu Tausenden, wenn es ein günstiges Wort ist, oder sie tröpfeln vereinzelt herbei, wenn es um kompliziertere, abstrakte Sachverhalte geht. Oft gibt es bei mehrdeutigen Begriffen zwar zahlreiche Angebote, aber keines, das passt…

So habe ich mit dem Begriff „schlingen“ etwas gesucht, was wie „gierig essen“ aussehen könnte, aber der Bilder-Shop hat mich mit einer überwältigenden Auswahl an kunstvoll geknüpften Galgenstricken überschüttet… – Beim übermässigen, unkontrollierten Essen kommt mit grosser Wahrscheinlichkeit sehr rasch ein saftiger, dicker BigMac ins Bild. Das wirkt inzwischen platt und einfallslos. Auch Torten hat es, Schokolade, leergeschöpfte Konfitüregläser, Nudelteller… aber so richtig schlaraffenlandmässig übertrieben ist das alles nicht. Und es fehlt die Dimension der Hektik, die jedes gierige Herunterschlingen auszeichnet, so als müsste der Esser gewärtigen, dass ihm jemand seinen Bissen streitig macht.

Ein paar Sujets haben sich schliesslich gefunden, die in Frage kommen könnten. Jetzt heisst es, in einem kleinen Büro-Feldversuch zu ermitteln, welches die breiteste Zustimmung findet. Das sollte zu schaffen sein.




10/2  Die Absauger

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:44

Der Titel lehnt sich an die TV-Serie Die Abzocker an. Haha, wieder so ein Scherzchen. Dabei will ich ja den redlichen Schönheitsplastikern überhaupt nicht unterstellen, sie würden mit Abzockermethoden arbeiten. Das weiss ich selber, da muss ich meinen Nebenmann gar nicht erst fragen. Aber ein sich seriös gebender Bericht im SF-2-Magazin GesundheitSprechstunde, bei dem live im Studie abgesogen wurde, machte mich doch ein wenig stutzig: ist dadurch nicht der Eindruck vermittelt worden, das sei eine kleine Sache, so nebenbei, ganz selbstverständlich, damit man mit seinem Körper wieder zufriedener sein kann?

Die Dame, soviel wurde mir beim Zuschauen klar, hatte ein existenzielles Problem: wenn sie in der Boutique einen Bleistiftrock anziehen wollte, zeichneten sich darunter die Erhebungen der „Reiterhosen“ ab. Und das war der Dame ein Frust. Nun will ich das als Problem nicht kleinreden, aber es ist letztlich auch eine Frage von Ursache und Wirkung. Jonathan, mein buckliger Onkel vierten Grades, lobte jeweils die Kunst seines Herrenschneiders, der es verstand, durch perfekten Schnitt und Massarbeit seinen gewölbten Rücken so gut wie zum Verschwinden zu bringen. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, sich seine Wirbelsäule chirurgisch begradigen zu lassen, nur um Konfektion tragen zu können.

Das war damals. Aber heute haben wir die Möglichkeit, unsere Körper so modellieren zu lassen, dass sie in ihre modischen Hüllen passen, als wären diese eigens für sie gefertigt worden. Ein wahrer Triumph der Schönheit, der jeden zu seinem eigenen Michelangelo werden lässt, sofern er es sich leisten kann. – Mit Adipositas, das wissen wir, hat dies nichts zu tun. Fettabsaugen ist ein kosmetisches Ding zur Perfektionierung und Verschönerung, zur Feinziselierung von eigentlich eleganten Körpern. Und wem dies das Selbstwertgefühl positiv zu beeinflussen vermag, der soll es sich um Gotteswillen leisten können. Dass das Business boomt, hat offenbar auch mit der Konjunktur zu tun.




9/2  Ver(d)erbt

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 21:10

Vielleicht fällt es uns einfach mehr auf, weil wir für das Thema sensibilisiert sind. Wenn ich beim Zappen auf eine dieser unsäglichen Supernanny- oder Supermama-Shows gerate und sehen muss, wie hilflos sich die Eltern mit ihrem quengelnden und sich im rotzigem Trotz aufbäumenden Nachwuchs herumplagen, dann scheint mir – entschuldigung, aber es ist so! – dass die schlimmsten Kinder die dicklichen sind… und im Analysegespräch mit der allwissenden Nanny stellt sich dann prompt heraus, dass die Kleinen sich nicht nur grosszügig aus der Süssigkeiten-Schale bedienen können, sie nuckeln auch nächtelang an gesüssten Tees und Sirups herum und glühen im Kampf mit ihren Erzeugern wie pausbäckige Puttenengel dunkelrosa ins Zimmer hinaus…

Ist das eines dieser Vorurteile? Oder treffen die Sendeanstalten eine ungünstige Auswahl? Bestimmt das Erziehungsverhalten oder die genetische Veranlagung darüber, ob ein Kind Gewicht ansetzt oder nicht? – Eine interessante Studie an Zwillingen, eineiigen und zweieiigen, die in England durchgeführt wurde und die im American Journal of Clinical Nutrition veröffentlicht wurde, zeigt, dass der Einfluss der vererbten Gene weitaus grösser ist als der Einfluss der Umwelt, aber der ist auch da – im guten wie im schlechten Sinn.

Und so wie es Kinder gibt, die über eine angeborene Musikalität verfügen, während man andere mit keiner noch so drastischen Erziehungsmethode dazu prügeln kann, musikalisch zu werden… so gibt es auch Kinder, die „von Natur“ ein anderes Verhältnis zum Essen und dem Umgang damit haben, die herumtollen und „vernünftig“ essen mögen, und doch immer am Gewichtslimit sind, während andere faul herumliegen, sich mit Fastfood vollstopfen können und dabei doch dünn und beweglich bleiben…

Die Chancen sind ungerecht verteilt. Umso mehr muss darauf geachtet werden, solche Handicaps frühzeitig zu erkennen und die Umwelt so zu gestalten, dass die schlechten Voraussetzungen bei den entsprechend Veranlagten nicht ins Verderben führen.