6/5  Es ist ein Fluch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:40

Übergewicht ist eine hinterlistige, heimtückische Krankheit. Sie schleicht sich an, ergreift Besitz von dir und du wiegst dich lange Zeit in Sicherheit, denkst, mir passiert ja nichts, wenn ich will, habe ich sie im Griff.

Andere Krankheiten sind auch gemein, aber offen und unverblümt. Ich war heute an einer Fachtagung des Ernährungs-Netzwerkes Nutrinet und im Mittelpunkt stand das Thema der Allergien und Unverträglichkeiten gegenüber bestimmten Lebensmitteln. Es ging um Erfahrungen, die Betroffene machen, um die Risiken und Gefahren bei der Herstellung von Nahrungsmitteln und um die Vorkehren, die geteroffen werden müssen in der Produktion und vor allem auch in der Gastronomie.

300’000 Menschen sind in der Schweiz von der einen oder anderen Lebenmittel-Allergie betroffen. Ihre Körper reagieren panisch auf jeden Kontakt mit kleinsten Mengen von bestimmten Substanzen. Die Symptome können vielfältig sein, von Hautausschlag über Übelkeit, Schwindel, Magenverstimmung, Blähungen, Schluckbeschwerden, Jucken am ganzen Körper… die Palette der Störungen ist nicht absehbar, aber vor allem: bei einem „falschen“ Verhalten erfolgt die Reaktion oft sehr rasch oder doch innerhalb von Stunden. Das ist lästig, beschwerlich, einschränkend und gefährlich im Alltag… aber die Sofort-Reaktion des Körpers mit einer ganzen Reihe von Abwehr-Mechanismen ist gleichzeitig auch ein Schutz und eine permanente Mahnung, aufzupassen und Vorkehren zu treffen, jeden Bissen Nahrung sorgfältig zu planen und abzusichern, um das Schlimmste zu vermeiden.

Beim Übergewicht ist es anders. Der Diabetiker vielleicht, der erlebt die Strafe für falsches Verhalten recht rasch und auch messbar. Aber der Adipöse geht vordergründig straffrei aus. Ihm liegt vielleicht eine Entgleisung in der Nacht noch etwas auf… aber eigentliche, „krankheitswerte“ Folgeerscheinungen hat er nicht. Jedenfalls nicht sofort. Die Quittung ereilt ihn erst später, wenn der Hosenbund wieder zwickt und wenn die Waage ein fettes Plus anzeigt. Aber dann ist das erneut Gewonnene kaum mehr wegzubringen. Man mag sich verfluchen und Besserung schwören, Vorsätze fassen, Konsequenz geloben… genau bis zum nächsten Sündenfall, den man vielleicht mental zur Kenntnis nimmt, innerlich vielleicht mit Scham bedauert, aber der einen nicht unmittelbar in die Schranken weist, fluchbeladen, wie man ist.