16/5  Finanzielle Anreize

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:43

Alles geht übers Portemonnaie… Geld regiert die Welt… pas d’argent, pas de suisses… und was der Volksweisheiten mehr sind: wenn man etwas erreichen will, braucht es finanzielle Verlockungen. Das war eine der Ueberlegungen, die wir uns in der NGO-Allianz Ernährung und Bewegung gemacht haben im Blick auf die Notwendigkeit staatlicher Interventionen zur Bekämpfung der Adipositas.

Und wenn die internationalen ExpertInnen schon in Genf zusammenkommen, dann können wir vom vorhandenen Knowhow profitieren und einen speziellen, zusätzlichen Workshop organisieren, in dem wir einen Blick werfen auf entsprechende Modelle im Ausland, auf Erfahrungen, die mit finanziellen Anreizen bereits gemacht wurden und die wir allenfalls als Vorbild übernehmen könnten, um nicht das Rad nochmals neu erfinden zu müssen…

Mit einiger Spannung sind wir in diesen Themen-Nachmittag eingestiegen. Nach einer Auslegeordnung der in Europa praktizierten Modelle zur Besteuerung von Lebensmitteln und Agrarprodukten kehrte erste Ernüchterung ein: es gibt keinen generellen, evidenten Zusammenhang zwischen der Höhe von Steuern und dem Verzehr von „gesunden“ Lebensmitteln; allenfalls wäre eine sehr gezielte un differenzierte Besteuerung von problematischen Produkten denkbar, wenn gleichzeitig die Mittel eingesetzt würden für Aufklärungskampagnen oder für die Verbilligung von einzelnen „gesunden“ Angeboten.

Ein Blick durch die Brille des Oekonomieprofessors aus Amerika zeigt, dass Preis-Anpassungen als Folge von steuerlichen Massnahmen sehr massiv ausfallen müssten, um wirksam zu sein – aber dazu sind die Margen in der Produktion zu gering. Und das ganze Management solcher Massnahmen würde einen unverhältnismässigen Aufwand bedingen, allenfalls Missbrauch begünstigen und wäre in der Wirksamkeit eingeschränkt. – Ein ähnliches Resultat ergab sich aus zwei Vorträgen von Verkehrs-Experten aus England: wäre es möglich, duch eine finanzielle Lenkung des privaten und des öffentlichen Verkehrs die Leute zu mehr eigener körperlicher Bewegung zu animieren? Die Risiken solcher Massnahmen scheinen gegenüber den möglichen Vorteilen zu überwiegen: das Verhalten des einzelnen Verkehrsteilnehmers lässt sich kaum positiv beeinflussen, allenfalls sind Erfolge in der ganzen Infrastruktur der Mobilität denkbar…

Ein Vertreter des Rückversicherers Swiss Re zeigte die Ueberlegungen auf, die der weltweit engagierte Konzern im Blick auf die künftigen Herausforderungen anstellt, die sich aus dem massiven Ueberhandnehmen der Adipositas ergeben: in Amerika werden Lebensversicherungen quasi nur noch „nach Mass“ ausgestellt, abgestimmt auf die individuellen Risiken des Versicherungsnehmers, wie sie durch Lebensstil und Krankheiten definiert sind. – Den Abschluss machte eine illusionslose, systematische Analyse von Studien über Modelle und Projekte, bei denen übergewichtige Menschen mit materiellen Anreizen zum Abnehmen motiviert wurden. Aus einer riesigen Fülle von – leider schon etwas veralteten – Berichten blieben einige wenige, die den Kriterien der Untersuchung entsprachen, aber keine greifbaren Resultate brachten…

Von Sokrates sagt man, dass er gesagt haben soll Ich weiss, dass ich nichts weiss. Dies ist denn auch die wesentliche Erkenntnis, die wir aus dem internationalen Vergleich gewinnen konnten: es gibt kein Patentrezept, das sich einfach kopieren liesse; gefragt sind Fantasie und Unternehmungsgeist, politische Weitsicht und der Mut zu unkonventionellen Lösungen. Der Workshop hat uns nicht vorwärts-, aber er hat uns weitergebracht.