19/5  Ein Bild von Bild im Bild

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:39

Letzte Woche ging ein Bild um die Welt, das die Gemüter bewegte. Es war das Bild von einem Bild, das versteigert wurde. Das wäre an sich noch nicht aussergewöhnlich, aber die über 30 Millionen Doller, die dafür gelöst wurden, waren – so hiess es – der höchste Preis, den je ein Bild eines noch lebenden Künstlers erzielt hat.

Was diesen Bilderhandel zudem ungewöhnlich machte und macht, das ist die Tatsache, dass das Modell, das auf dem Sofa liegt, so gar nicht dem heute gängigen Cliché eines Schönheitsideals entsprechen mag. Viel eher könnte es aus dem Skizzenbuch des Pieter Pauwel Rubens entsprungen sein, mit seinen ausladenden üppigen Rundungen, der weich sich hervorwölbenden Bauchdecke, den schwellenden Brüsten und den stämmigen Schenkeln. Man hat nicht den Eindruck, die Frau fühle sich bequem. Ihr Gesicht wirkt fast etwas verdriesslich und mit einer Hand hält sie sich an der Sofalehne fest, als befürchte sie, unvermittelt von der Schwerkraft nach vorne über den Rand der Liege in die Tiefe gezogen zu werden.

Und trotzdem strahlt das Bild eine suggestive Stärke und Wärme aus: es ist die natürliche Schönheit eines ehrlichen Körpers, der nichts verbirgt und der sich zu sich selber bekennt. Er bricht eine Lanze dafür, dass es sich lohnt, seinen Körper so zu akzeptieren, wie er ist. Das Bild ist 1995 entstanden. Neun Monate lang hat Sue Tilley dafür Modell gelegen, zu einem Tageshonorar von 51 Dollar… Jetzt ist sie weltberühmt und mit ihren 125 Kilo eine prominente Botschafterin aller Übergewichtigen.