5/6  Frau Köbi

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:29

Die ganze Schweiz nimmt Anteil. Und die Boulevardpresse hält uns auf dem Laufenden. Da habe ich gelesen, dass die Feuerwehr mit dem grossen Kran vorgefahren ist und die Frau Kuhn aus der Attikawohnung über den Balkon in die Strasse hinunter gehievt hat. Solche Meldungen nehmen wir mit Staunen zur Kenntnis, sie kommen sonst meist aus Südamerika und handeln vom schwersten Menschen der Welt oder so, der mit einem Lastwagen in eine Spezialklinik verfrachtet werden musste, nachdem die Mauer herausgebrochen worden war.

Im Fall Kuhn ist sogar der Boulevard diskreter: sozusagen verschämt und durch die Blume wird – in einem Zitat des Feuerwehrmanns – mitgeteilt, dass man mit der Patientin auf der Trage kaum die Treppe hinab gekommen wäre… selbst wenn sie weniger gewogen hätte. – Ich kann das nachfühlen. Ich habe mit wachem Bewusstsein erlebt, wie die Ambulanz-Equipe damals meine 140 Kilo auf eine Art Rollstuhl gepackt und die Aussentreppe hinunter gewuchtet hat, mit Unterstützung eines eingebauten Motors.

Beim Lesen des Evakuationsberichts ist mir ein seltsames Telefonat wieder in den Sinn gekommen. Das war vor einiger Zeit, es war wohl während der WM, als sich Köbis Mannen nicht ganz schlecht geschlagen hatten und der gute Jakob Kuhn samt Familie in aller Munde und Medien war… da ging an einem Vormittag das Telefon und ein Anrufer empfahl mir, wir sollten uns von der SAPS aus um Frau Kuhn kümmern, ihr eine Beratung und Therapie vorschlagen. Und wenn sie erfolgreich abgenommen hätte, wäre das die beste Reklame für die Adipositas-Stiftung und auch eine gute Motivation für alle Adipösen, es ihr gleich zu tun.

Ich habe den Vorschlag abgelehnt. Es kann nicht unsere Aufgabe sein, Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen, und wenn es noch so zu deren Vorteil wäre. Man hätte mehr wissen müssen über die Frau und ihre Geschichte, und sie hätte vor allem selbst den Wunsch haben müssen, etwas in dieser Richtung zu tun. Vielleicht hatte ich damit eine Chance vertan, die Stiftung in der Öffentlichkeit zu profilieren… und vielleicht wäre der Alice Kuhn jetzt die akute Erkrankung erspart geblieben… vielleicht, vielleicht. Was soll das Spekulieren? Wir halten ihr die Daumen und wünschen gute Besserung!