4/8 Innehalten
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 23:07 |
Der Tagesablauf hier ist diskret organisiert. Am Morgen erfolgt die Arztvisite vor dem Frühstück im eigenen Zimmer… das ist ein wenig wie im Spital, aber sehr angenehm. Dann ein Frühstücksbüffet, nach dem sich viele Mehrsternhotels die Finger schlecken könnten, mit Angeboten aus der Region in einer solchen Fülle, dass wohl kein Tag wie der andere schmecken wird…
Wer zur Rehabilitation kommt, kriegt einen „Klinik-Pass“, in dem die fixen Termine vermerkt sind, in der Regel zwei pro Tag. Dazwischen bleibt viel Zeit für eigenverantwortete Aktivitäten: wer gut zu Fuss ist, kann an Gruppenwanderungen teilnehmen, geführten Besichtigungen, Rundgängen, an Nordic-Walking-Touren, Gymnastik-Lektionen an Land und im Wasser… das alles ist nichts für mich, meine Ziele sind bescheiden. Ich stöckle – wie einige andere auch – mit meinen Krücken ein wenig ums Haus, achte auf die Bewegungsabläufe, wie man sie mir in der Physiotherapie erklärt hat und bin froh, wenn ich nicht zu sehr ausser Atem komme: der vollständige Einsatz von Beinen und Armen braucht Kraft und zehrt.
Die meiste Zeit verbringe ich auf dem Bett mit der gleichen Maschine wie noch im Spital: mehrere Stunden pro Tag muss ich die Beweglichkeit des Knies verbessern; bloss ist dieses Modell hier wesentlich neuer, hat eine Fernbedienung, so dass ich laufend den Winkel korrigieren und die Leistung steigern kann. – Heute auch erstmals ein Besuch in der Massage, wo die von der Operation betroffenen Muskeln aus der Reserve gelockt und gefödert werden.
Die grösste Herausforderung ist jedoch die Planung er täglichen Verrichtungen: plötzlich hat man keine Hand mehr frei, man muss sich mit Tricks behelfen und Arbeitsschritte festlegen, bis man nur angezogen ist. Und es wird mir mit aller Deutlichkeit bewusst, wie priviligiert man ist, wenn man „nichts“ hat, un wie schwer es doch für viele Menschen, Kanke, ist, die ihr ganzes Leben mit physischen Einschränkungen zu kämpfen haben und überhaupt nur durch die tätige Unterstützung und Hilfe von Dritten über die Runden kommen. Insofern ist dieser Aufenthalt, neben allen hotelmässigen Annehmlichkeiten, auch Anlass zu Nachdenklichkeit und bescheidenem Innehalten. Alles braucht seine Zeit.