11/8 Pflichterfüllung
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 21:27 |
Die zweite Woche hat begonnen und alles läuft in geordneten Bahnen, Fortschritte nach allen Richtungen sind messbar, auch wenn jeder sagt, ich solle nichts überstürzen. Eigentlich ist das, worüber ich mich heute in der x-ten Wiederholung etwas geärgert habe, gar nichts, worüber zu ärgern sich richtig lohnen würde… sondern es ist im Prinzip ein erfreuliches Zeugnis von Auftragstreue und Pflichterfüllung.
Das Reinigungspersonal zieht diskret seine Runden durch die Stockwerke, wie in jedem Hotel, pünktlich und zuverlässig, gründlich, sauber und freundlich. Aber sie haben ihre offenbar eingespielten Rituale und Regeln, die sie wie automatisch ausführen und in jedem Zimmer wiederholen. Da gibt es ein wunderschönes, elegantes TV-Gerät, das auf einer Lade seitlich aus dem Schrank gezogen werden kann, damit man von Bett aus die Sendungen sieht. Dieses Gerät habe ich sorgsam so in Position gebracht, dass es im richtigen Winkel zur Lampe steht, damit sich kein störender Lichtreflex abbildet. Die Putzleute aber drehen jeden Vormittag mit beharrlicher Konsequenz das Gerät in seine ursprüngliche Position zurück und schieben die Lade in den Schrank, so dass vom Bett aus garantiert kein Bild zu sehen ist… warum?
Desgleichen habe ich mir auf der Ersatz-Liege, wo meine Kniebeuge-Maschine installiert ist, aus Kissen und Wolldecken eine Kopfstütze gebastelt, so dass ich während der Übungen an der mechanischen Installation vorbei TV schauen kann… Aber wenn die Putzkolonne ihres Amtes gewaltet hat, sind die Bestandteile meines Kissenstapels wieder verräumt, ordentlich, wie es sich gehört… will man mich didaktisch gschickt dazu bringen, dass ich spezielle Aufgaben löse?
Und bei Tisch verzichte ich seit einer Woche auf Kohlenhydrate. Man begrüsst mich mit Namen, weiss, dass ich die Menüs „nur mit Gemüse“ bestelle und mich beim Frühstück auf ein wenig Rührei, eine Scheibe mageres Trutenfleisch und etwas halb- oder viertelfetten Käse beschränke… aber trotzdem fragen die Service-Leute jedes Mal mit verführerischem Flötenton in der Stimme: Und darf ich ihnen noch ein Stück vom ofenfrischen Ruchbrot bringen..? – Eines ist klar: hier wird Pflichterfüllung gross geschrieben.