15/11  Problemgewicht

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:17

Das sind die Zusagen, für die man sich verflucht, wenn man am Samstagmorgen im Bett liegt und eigentlich ausschlafen möchte, aber nicht kann, weil man sich am andern Ende der Schweiz für eine Podiumsdiskussion verpflichtet hat. Dazu ist noch schönes Wetter und vielleicht kommt kein Schwein. Aber aller Selbsthader hilft nichts, raus aus den Federn und ins Auto und ab.

Gut 50 Leute sind da, im Kirchgemeindehaus. Gesundheitstage finden statt übers Wochenende, mit viel freiwilligem Engagement, einer Ausstellung und einer Diskussion: Wenn das Gewicht zum Problem wird. Da sitzen wir zu fünft: ein Gewährsmann der Krankenkassen, eine Politikerin, eine Betroffene, eine ernährungspsychologische Beraterin und der Präsident der Adipositas-Stiftung.

Das Interesse des Publikums ist gross, wir streifen und vertiefen alle relevanten Fragen. Es geht um Informationen, Meinungen und Befindlichkeiten. Kontrovers ist das Gespräch nicht, denn wir haben alle das gleiche Ziel: Aufklären und einen Beitrag leisten zur Bewältigung eines problematischen Zustands. – Interessant ist doch, dass es den Veranstaltern trotz intensiven Bemühens nicht gelungen ist, auch jemanden zu finden aus der Gruppe der Untergewichtigen, wo der Körper und sein Gewicht in die andere Richtung als problematisch erlebt werden: offenbar ist hier die Indentifikation mit dem Problem noch heikler, sind Verletzlichkeiten und wohl auch Scham anders ausgelegt als bei denen, die sich in ihrem fülligen Körper mehr oder weniger arrangiert haben.

Im Gespräch vergeht die Zeit, es ist Mittag, ehe wir es uns versehen, wir müssen den Saal räumen für die nächste Veranstaltung und draussen wartet ein kleiner Apéro, bei dem noch persönliche Erfahrungen und Ansichten ausgetauscht werden können. Information ist Detailarbeit, Zuspruch und Trost zugleich. Wenn es uns gelungen ist, Verständnis für ein komplexes Problem zu wecken, dann war den Samstagvormittag gut investiert.