16/11  Ab morgen nehm‘ ich ab!

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:46

Es war eine ungemein eindrückliche Dokumentation (Spiegel TV Thema), die am Sonntagvormittag auf SF info wiederholt wurde: Bloss nicht noch dicker – wenn das Gewicht zur Last wird. – Porträts von Menschen im 200-Kilo-Bereich, einer war schon mal auf 300, ihr Kampf mit den alltäglichen Verrichtungen, ihre Therapie-Anstrengungen und die Menschen, mit denen sie zusammen sind, auf deren Hilfe und Unterstützung sie angewiesen sind.

Eine sachliche, unaufgeregte Reportage, geprägt von Sympathie und Anteilnahme, aber frei von Sentimentalität, die schonungslos die Situation offenlegt, in der sich diese Menschen befinden, ausgeliefert einem Zwang, immer wieder zu essen, ohne diesen Drang kontrollieren zu können, im vollen Bewusstsein der körperlichen und seelischen Auswirkungen, die ihr eigenes Verhalten nach sich zieht.

Unvergesslich und typisch die Szene am Schluss: der junge Mann, der mit seiner Schwester und deren Kind zusammenlebt, und der zum Wägen auf den Schrottplatz muss, weil nur dort eine Waage steht, die seinem Gewicht gewachsen ist, der bei dieser Gelegenheit erfährt, dass er seit dem letzten Mal über 30 Kilo zugenommen hat und wieder bei 250 angelangt ist… und wie er dann nach Hause kommt, wo seine Schwester im Ofen zwei Enten bruzzeln hat, und mit welch kindlicher Hingebung er bettelt, dass er eine der beiden Enten, die eigentlich als Vorrat gedacht war, ganaz und alleine essen darf, obwohl seine Schwester dagegen ist. Aber es soll, sagt er, und blickt sie dabei bittend an, eine Abschieds-Ente sein, denn: Ab morgen nehm’ich ab!

Und mit diesem Versprechen, das er immer wieder wiederholt, verschafft er sich ein ruhiges Gewissen. Man sieht es ihm an, wie der Spruch ihm die Freiheit zum Genuss verschafft, ihn legitimiert, noch einmal so richtig zuzuschlagen, reinzuhauen in das knusprige und fettige Entenvieh, denn es soll ja der letzte Leckerbissen sein, seine Henkersmahlzeit, gewissermassen, die es dann nie wieder geben wird, wenn er „morgen“ wirklich beginnt, abzunehmen. – Aber morgen, das ist ein anderer Tag. Wir wissen es. Und er weiss es wohl auch.