19/12 Leert die Teller!
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 16:57 |
Als wir klein waren galt die strenge Regel: man isst, was auf den Tisch kommt… und der Teller wird leer gegessen! Sonst wurden einem die armen hungernden Negerkindlein in Erinnerung gerufen, die noch so dankbar wären, wenn sie das von uns verschmähte Essen kriegen könnten. Denk an die Kinder in Afrika, war ein geflügeltes Wort an manchem Tisch. Und so nahmen wir ein Löffelchen fürs Grosi, eines für Onkel Otto, eines für Tante Amalie… bis der Teller leer und unser Magen voll war.
Dieser während Jahren eingedrillte Aufess-Zwang ist manchem von uns zum Verhängnis geworden und wir mussten unter Aufbietung aller geistigen Widerstandskräfte lernen, dass es möglich ist, Essensreste zurückzulassen, nur einen Teil des Menüs zu verspeisen… ja dass es vielleicht sogar ein Zeichen vornehmer Gediegenheit sei, nur ein Gäbelchen vom Risotto und eine kleine Tranche vom Roastbeef zu speisen, um so zu signalisieren, dass wir nicht auf die vulgäre Verpflegung in der Öffentlichkeit eines Restaurants angewiesen sind.
Wie oft hatte ich mit neidvollen Gefühlen auf die Teller meiner Tischgenossen geblickt, die kaum die Hälfte des Menüs verspeist hatten, während ich bereits mit einem Stück Brot die letzten Reste der Bratensauce auftupfte… Und wie stolz war ich, wenn es mir gelang, noch einen Rest des Kartoffelstocks auf dem Teller liegen zu lassen und mich selber dafür zu loben, dass ich meine Fresslust im Zaume halten könne.
Weniger schwer war mir dies in Amerika gefallen, wo die Portionen so riesig waren, dass ich nach knapp der Hälfte keinen Bissen mehr hätte schlucken können… und mich auch nicht dafür hielt, einen Doggybag zu verlangen. – Aber aufgepasst: schon heisst es wieder, sich auf neue Realitäten einstellen! Denn ausgerechnet in New York gibt es nun Lokale, in denen der Gast einen Zuschlag von 30% zahlen muss, wenn er seinen Teller nicht leer isst.
Das hat damit zu tun, dass in USA offenbar schon bis zu 40% der Lebenssmittel im Abfall landen, wodurch Nahrung im Wert von 48 Milliarden Dollar jährlich vernichtet wird. Da ist es verdienstvoll, etwas dagegen zu unternehmen… nur muss man sich fragen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist! Was haben wir davon, wenn die 40% statt im Kübel einfach in den Bäuchen landen? Wenn die Auswärtsesenden gezwungen werden, sich zu überfüttern… statt dass man ihnen kleinere Portionen anbietet, mit der Möglichkeit eines vernünftigen Nachschlags, wenn der Hunger wirklich grösser sein sollte? Gesamtökonomisch wäre das deutlich die bessere Lösung.