25/3  Dick und frech?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 22:39

Das macht natürlich keine gute Stimmung. In der englischen Presse kursiert die Meldung von einer vierköpfigen Familie, Eltern mit zwei Töchtern, alle übergewichtig und nach eigener Darstellung zu schwer, um arbeiten zu können. Seit 11 Jahren erhalten sie Sozialhilfe von 36’000 Franken (umgerechnet) pro Jahr, aber das reiche knapp aus, um das Nötigste zum Essen zu kaufen, sie brauchten mehr Geld. Pro Tag futtert jedes der vier rund 3000 Kalorien. Sie könnten nichts dafür, dass sie zu dick seien, das sei in ihrer Familie erblich. Die Eltern wiegen je 153 Kilo, die Töchter bringen 108 bzw. 114 Kilo auf die Waage. Eine der Töchter sagt, weil sie studiere, habe sie keine Zeit um Sport zu treiben. Alle vier beteuern, sie würden ja wirklich gerne abnehmen, aber sie wüssten nicht wie.

Was ist von einer solchen Geschichte zu halten? Spricht das nun für oder gegen das britische Sozialsystem? Ist es als fortschrittlich zu loben, weil es seine Bürger in Not unterstützt… oder ist es zu tadeln, weil es keine Anreize setzt und Menschen nicht motiviert, etwas gegen ihre besondere Situation zu unternehmen? Ein junger Mensch von gut 100 Kilo Lebendgewicht sollte doch einem Job nachgehen können!? Muss hier das Übergewicht als billiger Vorwand dienen, um einen Sozialmissbrauch zu kaschieren? Wo ist die Grenze zwischen Wohltat und Fluch? Zwischen lebensnotwendiger Hilfe und einer unangemessenen Verhätschelung. Um diese Fragen zu beantworten fehlen uns weitere Informationen. Man müsste der Sache nachgehen können, so wie der Spiegel zuweilen berichtet über die Geschichte hinter einer Geschichte… Aber es ist zu befürchten, dass solche Meldungen im Prinzip nichts weiter bewirken, als dass sie das böse Klischee von den faulen Dicken bestätigen…


2 Kommentare zu “Dick und frech?”

  1. Susanne sagt:

    Nicht nur ein junger, auch ein älterer Mensch mit 100 kg müsste eigentlich einer Arbeit nachgehen können (ich spreche aus eigener Erfahrung) – aber eben, es fehlt uns die Geschichte hinter der Schlagzeile. Ich mache mir allerdings nicht wirklich Sorgen, dass das Klischee vom faulen Dicken Auftrieb erhält, schliesslich kennt fast jeder einen Dicken, der ganz normal arbeitet.

  2. Philippe Beissner sagt:

    Man könnte den Titel des aktuellen Artikels auch „Dick, chancenlos und vom Gesundheitswesen vernachlässigt“ nennen. Offensichtlich besteht eine schwere Form einer familiären Adipositas. Diese genetisch bedingte Übergewichtsform lässt sich nur mittels bariatrischer Chirurgie langfristig wirkungsvoll behandeln. Diesen Menschen dann eine Rente für ihre körperlichen Folgekrankheiten zu bezahlen anstelle einer effektiven chirurgischen Therapie, ist nicht nur eine Form der Vernachlässigung sondern auch aus finanzieller Sicht unsinnig.
    Sinnvollerweise wird die Schuld dann dem Opfer zugetragen – kein schöner Zug.

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