30/5  Der dicke Schorsch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:33

Beim stöbern in Wikipedia zum Stichwort Adipositas bin ich auf eine Postkarte aus dem Jahre 1904 gestossen: Der dicke Schorsch. Da sitzt er breit auf zwei Stühlen, strahlt scheinbar zufrieden unter seiner Matrosenkappe hervor. Wer er ist und was er ist, das ist aus dem Bild nicht ersichtlich, aber in Rot steht aufgedruckt: Gruss aus Fränkisch Crumbach, vom Gasthaus zum dicken Schorsch’chen.

Die Verkleinerungsform mit dem dicken Schorsch’chen gefällt mir am besten. Dieser listige Versuch, eine Tatsache durch deren Bezeichnung zu verniedlichen! Es erinnert mich an eine eigene Gepflogenheit bei der Nahrungsaufnahme. Wenn ich zum Beispiel etwas Käse möchte, oder ein Stück vom Braten, oder auch eine Scheibe Brot, dann bitte ich meine Gastgeber meistens um ein „Schnifeli“… das ist die Verkleinerungsform von einem „Schnäfel“. Und dieser wiederum bedeutet einen Schnitz, eine Scheibe, einfach etwas, was sich mit dem Messer herunterschneiden lässt und ist in der Praxis meist deutlich grösser, als die Formulierung es andeutet.

Aber der „dicke Schorsch“ erinnert mich noch an etwas anderes. In der nächsten Ausgabe des SAPS-Magazins, das ich dieser Tage fertig redigiert habe, hat es einen Artikel zum Thema der erhöhten Flugtaxen für übergewichgtige Passagiere, ausgehend von der Tatsache, dass in USA nun viele Gesellschaften von denen, die auf einem Sitz nicht Platz finden (wie der Schorsch), verlangen, dass sie zwei Tickets bezahlen. Und es war praktisch unmöglich, zu diesem Thema eine passende Illustration zu finden, bis wir schliesslich dank einer freundlichen Agentur auf eine schwarzweisse Aufnahme aus den 30er Jahren stiessen, mit der „dicksten Familie Amerikas“, die sich aufmachte, ein klappriges Propellerflugzeug zu besteigen… – Daran erinnert mich der dicke Schorschi in seiner ganzen Pracht und Fülle, die damals wohl noch für ein Signal von Reichtum und Wohlergehen angesehen wurde. So ändern sich die Zeiten.