14/8 Mit Steuern steuern?
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 15:04 |
Kollege Christian hat beim Pultaufräumen einen Artikel vom 1. August gefunden, der in The Economist erschienen ist. Zitiert werden eine ganze Reihe von aktuellen Studien und Untersuchungen, bei denen es um die Frage geht, ob die durch Übergewicht und Adipositas verursachten Gesundheitskosten allenfalls über Steuern auf Junkfood, Fett oder Süssgetränken kompensiert werden könnten.
Die Erörterung findet nicht etwa unter volksgesundheitlichen Aspekten statt, sondern allein unter ökonomischen, wirtschaftlichen Gesichtspunkten. – Interessant ist, dass nicht einfach Schlüsse gezogen werden können von den Erfahrungen mit der Tabak-, Alkohol oder Glücksspiel-Steuer. Denn im Unterschied zu den genannten „Praktiken“ sind verschiedene Esswaren und Getränke nur schwierig nach ihrer „Gefährlichkeit“ zu klassifizieren, wenn es ums Verursacherprinzip geht.
So hat ein Expertenteam berechnet, dass eine Verteuerung von „hochkalorigen“ Nahrungsmitteln um 10% innerhalb von zwei Jahren zu einer durchschnittlichen Reduktion des BMI um 0,22 Punkte führen könnte… im Verlauf von 20 bis 30 Jahren könnte dies den BMI-Durchschnitt um zwei bis drei Punkte senken. Dadurch würde etwa die Hälfte des Zuwachses an Übergewichtigen in USA seit 1980 kompensiert!
Aber: eine solche Steuer hätte viele Fussangeln und ungelöste Probleme. Welche Verbrauchsgüter würden überhaupt darunter fallen? Junkfood ist nicht nur generell „schlecht“, es enthält auch lebensnotwendige Nährstoffe. Übermässiges Essen beeinträchtigt – im Unterschied zum Rauchen oder zur Spielsucht – die Umwelt nicht direkt. Und wenn jemand sich intensiv sportlich betätigt, kann er Junkfood essen, ohne zuzunehmen. Wäre es da, fragen die Oekonomen, nicht einfacher, man würde die Dicken direkt auf Grund ihres Gewichts besteuern?
Das kommt natürlich unter dem Aspekt der Nicht-Diskriminierung keinesfalls in Frage. Im Gegenteil: eine andere Studie hat aufgezeigt, dass eine solche Steuer auf Junkfood allenfalls Übergewicht sogar bewirken könnte: wenn die Leute, die sich viel und oft bewegen, mehr Zeit für die Zubereitung ihrer Mahlzeiten aufwenden müssen, können sie weniger aktiv und in Bewegung sein und werden folglich dicker…
Und dann gibt es noch die Erfahrung, das es gerade die „Vielraucher“ sind, die am schlechtesten auf Anti-Raucher-Massnahmen reagieren und sich durch hohe Zigarettenpreise weniger vom Rauchen abhalten lassen als gelegentliche Raucher. Das könnte sinngemäss auch für Vielesser und Junkfood-Addicts gelten. Ähnliches kann beim Alkohol beobachtet werden: die Gruppe der Vieltrinker lässt sich durch hohe Spritpreise am wenigsten vom Suff abbringen.
Die Oekonomie gibt uns also keine Antwort auf die Frage, ob sich über entsprechende Steuern eine präventive Wirkung erzielen liesse. Der Bericht schliesst mit einem netten Bild: Genau wie die Speisen, auf die es die Fett-Steuer abgesehen hat, sieht sie zwar verlockend aus, hat aber möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen.