22/8  Lichtdiät

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:20

Ich bin dem fröhlichen Gottesmann Bruder Benno in seiner braunen Benediktinerkutte schon mal an einer Hochzeit begegnet. Sein schlichtes, ehrlich-offenes Wesen kommt an, überzeugt, lässt aufhorchen. Ein solcher Vertreter der Kirche und des Christentums kann Menschen gewinnen für seine und für die Botschaft Gottes. Ein kleiner Leuchtturm in gottlosen Zeiten.

Deshalb bin ich ein wenig erschrocken, als ich in der aktuellen Beobachter-Ausgabe darüber las, dass besagter Bruder Benno sich einer Licht-Diät unterzogen habe, wobei mit „Licht“ nicht die Helligkeit der Sonne gemeint war, sondern eine spirituelle Erleuchtung, die den gläubigen und gottesfürchtigen Menschen im wahrsten Wortsinn zu „ernähren“ vermöge.

10 Kilo habe Benno in drei Monaten abgenommen… so lange lebte er ohne feste Speise, begleitet und geführt von einer himmlischen Delegation von Coaches (Schutzengel, sagte man dem früher), dabei sei er voll bei Kräften und bei Sinnen geblieben, habe an Vitalkraft noch zugelegt, sich geistig fit gehalten und überhaupt einen Energieschub erlebt.

Innerhalb dieses Berichts über ein spezielles Grenzerlebnis liess die Beobachter-Redaktion richtigerweise eine Ernährungsfachfrau zu Wort kommen: Caroline Bernet von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung wies auf die medizinischen und ernährungs-physioloischen Probleme und Gefahren des Fastens hin und machte darauf aufmerksam, dass ein kompletter Nahrungsverzicht zur gesunden Gewichtsreduktion nicht taugen.

Trotzdem fürchte ich, dass solche Schilderungen einen Nachahmer-Effekt auslösen können, dass der Geistliche rein durch seinen Status eine Praxis legitimiert und ihr den Anschein der Gottgefälligkeit gibt, von der man gerade jungen Menschen eindringlich abraten muss und die – in Verbindung mit Anorexie – unter Umständen tödlich sein kann. Ich bin gespannt, welche Reaktionen beim Beobachter eintreffen werden.