1/9  Schon vergessen?

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 16:30

Ich erinnere mich: der Ungarnaufstand bzw. dessen brutale Niederschlagung durch die sowjetrussische Soldateska hat uns als Teenager, Kinder des kalten Krieges, die wir waren, enorm aufgewühlt. Wir demonstrierten vor der russischen Botschaft für Freiheit und Selbstbestimmung und erlebten erstmals am eigenen Leib die Gewalt der Ordnungshüter, die – wohl etliche gegen den eigenen Willen – diese Botschaft vor dem jugendlichen Mob der Randalierer zu schützen hatten. Damals entstand die Aktion „Niemals vergessen!“, die sich in den Zeitungen mit flammenden Aufrufen gegen alles wandte, was aus dem Osten kam. Ihr Logo war eine Schlange, die von einem feurigen Schwert dreifach durchbohrt wurde… heute kommt es mir fast vor, als hätte eine gewisse Ähnlichkeit bestanden zum Firmenkennzeichen von Alfa Romeo… aber man kann sich täuschen. Zwölf Jahre später war es dann eine meiner Pflichten als Chefredaktor des Berner Student, den Trägern dieser Bewegung mitzuteilen, dass wir ihre Aufrufe nicht mehr abdrucken möchten… was uns natürlich sofort den Vorwurf linker ideologischer Voreingenommenheit und Verblendung eingebracht hat.

Aber es geht um eine ganz andere Art von Vergessen. Bitterböse Kunde kommt aus Los Angeles von der University of California, wo ein Forscherteam von Neurologen die Gehirne von normalgewichtigen, übergewichtigen und adipösen Menschen mit der modernsten Technologie untersucht hat, welche eine dreidimensionale Abbildung des Schädel-Inhalts erlaubt. Und was wurde festgestellt?

Adipöse Menschen haben im Schnitt ein um 8 Prozent geringeres Gehirnvolumen als Normalgewichtige; Übergewichtige haben 4 Prozent weniger Gehirnsubstanz. Diese Gehirn-Verkleinerung als Folge von Übergewicht und Adipositas erhöhe die Gefahr, dass dicke Menschen an Alzheimer erkranken, folgern die Spezialisten, die zum ersten Mal auf der Basis von Langzeit-Untersuchungen an rund 100 alten Patienten auf diesen Zusammenhang zwischen Körpergewicht und Gehirnmasse gestossen sind. Das Gehirn eines Adipösen sei „um 16 Jahre älter“ als dasjenige eines Normalgewichtigen; bei übergewichtigen Menschen beträgt der „Altersunterschied“ immer noch acht Jahre. – Wer also bis ins hohe Alter geistig fit bleiben wolle, so folgern die Experten, müsse auch körperlich fit sein und sein Gewicht unter Kontrolle halten.

Nichts steht allerdings in dem Bericht darüber, ob dieser Befund irreversibel ist, ob er auch schon bei jungen Menschen anzutreffen ist, ab welchem Alter er relevant wird… und es dürfte wohl auch hier tröstlich sein, dass es einmalmehr die Ausnahmen sind, welche die Regel bestätigen, die doch recht zahlreichen Genies, Künstler und Staatsmänner, die trotz erheblichen Körpergewichts bis zuletzt im Vollbesitz ihrer geistigen Kröfte geblieben sind. Das dürfen wir nicht vergessen.