2/9 Abwartsmacht
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:44 |
Buebe, mir chas ja glich sy, aber die Schibe mues zahlt wärde! – Mit diesem Ausspruch, in leicht welsch-bernischem Akzent, hat er sich in unsere Erinnerung eingeprägt, Herr Pieren, Abwart am Proger, dem städtischen Untergymnasium von anno dazumal. Er regierte mit sportlicher Hand, Übeltäter hatten keine Chance, wenn wieder mal ein Fenster zu Bruch gegangen war, weil einer beim Nahkampf nicht aufgepasst oder ein Wurfgeschoss sich nicht an die geplante Flugbahn gehalten hatte.
Schulhausabwarte hatten früher ein denkbar schlechtes Berufs-Image: launisch, ungerecht, hinterhältig… nur noch übertroffen von ihren Frauen, die als keifende Megären durch die Schulhausgänge tobten und an den Kindern ihre Machtgelüste ausliessen als wären sie Schleifer auf einem preussischen Kasernenhof. Die einzige menschliche Regung zeigte das Abwartpaar in meinem Rückblick in der grossen Pause, wenn es unten im Kellergewölbe die Znünibar in Betrieb genommen hatte und jedem ein braunes Glas lauwarme Pausenmilch (mit Kartondeckel und Strohhalm) abgab, dazu konnte man sich eine Scheibe weiches Brot kaufen, mit der betörend wohlriechenden Kruste, ofenfrisch, wenn man Glück hatte, was es zuhause ohnehin nie gab. Süssigkeiten waren kaum zu haben. Einer, Gottfried G., hatte eine Technik entwickelt, wie er im nahen Migrosladen, der damals eben die Selbstbedienung erfunden hatte, die Aufforderung wörtlich nehmen konnte, einen ganzen Sportsack mit den kleinen Stengel-Glaces füllen und ohne zu zahlen an der Kasse vorbei schmuggeln konnte…
Schulhausabwarte sind eine Kaste für sich. Sie müssen noch immer viel von damals haben, nach dem Vorfall zu schliessen, von dem ich heute am Rande einer Sitzung gehört habe: Da wurde in einer Schweizer Region beschlossen, im Interesse der Gesundheitsförderung und der vernünftigen Ernährung sei die gute alte Pausenmilch wieder einzuführen. Das Projekt fand breite Zustimmung, die Finanzierung war gesichert, Sponsoren waren gefunden, die Milchorganisation machte mit und alles war aufs Beste geplant… bloss hatten die Projektverantwortlichen die Rechnung ohne die Schulabwarte gemacht. Diese erklärten kurz und bündig, eine Milch-Abgabe komme überhaupt nicht in Frage, denn wer müsse am Ende die Sauerei aufputzen? – eben: sie, die Abwarte! So wurde ein absolut begrüssenswertes Projekt von einer Berufsgruppe zu Fall gebracht, mit der niemand gerechnet hatte.
Nun kann man, genährt vom eigenen Erinnern, über die Abwarte herfallen, die wieder einmal ihrem überlieferten Klischee entsprochen haben… Was mir aber fast mehr zu denken gibt, das ist die Tatsache, dass sich die Schulleitungen in dieser Sache nicht durchzusetzen vermochten und dass es nicht möglich war, einen Kompromiss zu finden. Wie, frage ich mich, soll denn da Harmos umgesetzt werden?