5/1  Hase und Klaus

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 14:27

Vielleicht sind wir selber schuld daran. Hartnäckig – und möglicherweise wider besseres Wissen – haben auch wir alljährlich die Schokoladen-Legende rezikliert, wonach die nicht verkauften Schoko-Nikoläuse Wochen später umgeschmolzen würden und als Osterhasen und Schokoladen-Eier wieder auf den Süsswaren-Markt kämen. Die Konfiseure haben diese Theorie zwar immer vehement bestritten, aber ganz aus der Welt schaffen konnten sie den Mythos nicht.

Nun hat die Schleckwaren-Branche in England ein- für allemal aufgeräumt mit der bösen Mär. Wie einem UPI-Bericht zu entnehmen ist, sind dort bereits, kaum zehn Tage nach Weihnacht, in den Warenhäusern die ersten Osterwaren in den Regalen aufgetaucht. Dass Kläuse und Hasen/Eier NICHT miteinander konvergent sind, das kann man am besten dadurch beweisen, dass man sie nebeneinander auf den Ladentisch stellt. Dann kann jeder sich selbst davon überzeugen, dass beide eine eigene, simultane Schoko-Identität haben und keinen Zustand der Wiedergeburt verkörpern.

Natürlich regte sich in England sofort Widerstand: Viel zu früh! Was soll das? Kaum ist das Fest Christi Geburt ein wenig verklungen, soll schon an Ostern gedacht werden? – Realisten unter den Ernährungsleuten weisen darauf hin, dass eine solche Strategie einzig und allein darauf abzielen kann, den Umsatz anzukurbeln. Es sei doch nicht ernsthaft anzunehmen, dass jemand Anfang Januar Oster-Zeug aus Schokolade kauft, um es dann drei Monate lang wegzusperren, auf die Gefahr hin, dass es anläuft, den Kampfer-Geschmack aus der Sockenschublade annimmt oder sonst vergammelt?

Nein, sagen die Kenner des menschlichen Naschverhaltens: was man jetzt kauft, ist längst gegessen, bis kurz vor Ostern wieder frische Eier und Hasen in die Läden kommen. – Das Märchen vom Hasen und vom Igel ist übertragbar auf den Konsumenten. Nur ist es diesmal der Hase, der vom Igel gelernt hat. Wo immer der Konsument in ein Lebensmittel-Geschäft tritt, springt ihm ein Osterhase entgegen und ruft: Ick bün al dor!

Im Märchen hat sich der Hase abgehetzt, 73 Mal ist er gelaufen und am Schluss bricht er tot zusammen. – In unserer Wirklichkeit wird der Konsument einfach dick.