27/2  Boes daneben

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:23

Es ist vielleicht eine grundsätzliche Fragestellung: darf man Witze über Dicke machen? Oder muss man sogar? Nach der gängigen Lehre von Humor und Satire kann man über alles Witze machen. Nur über Gott wollte Tucholsky sich nicht satirisch auslassen, aber das sehen seine Nachfahren heute auch schon anders.

Witze haben ja meist etwas Verletzendes, über das andere dann lachen können, weil sie sich überlegen fühlen. Auslachen hat immer auch etwas mit Erniedrigen zu tun, mit Verspotten. Per Zufall bin ich am TV in zwei Comedy-Sendungen geraten mit Sketches aus dem Leben. Da ging es bei der Entertainerin Mirja Boes um eine Bademeisterin, die auf ihrem Hochsitz thronte, dick aufgepolstert, und die Hamburger und Pommes in sich hineinstopfte, als draussen vom Wasser her ein Hiilferuf zu hören war. Einem Badegast, der nicht schwimmen konnte, war die Luftmatratze kaputt gegangen. Die Retterin nahm sich Zeit, kletterte mühsam die Treppe runter, dann nochmals hoch, um bei den Pommes ein letztes Mal zuzulangen, dann schlurfte sie ans Wasser und zeigte an einer Tafel dem Ertrinkenden, wie er schwimmen sollte… Unruhig wurde sie, da er es nicht kapieren wollte, weil sie fürchtete, die Pommes könnten inzwischen kalt werden. Und als er hilfeschreiend in den Fluten versunken war, trottete sie zu ihren Pommes zurück. – Muss ich mir nun Gedanken machen, weil ich das nicht lustig gefunden habe?

In der anschliessenden Sendung Böse Mädchen gabs gleich zu Beginn einen Sketch, in dem eine stark übergewichtige Kassiererin im Supermarkt einem Kunden seine eingekauften Waren anbiss und dies, als er sich darüber beklagte, vehement abstritt, mit vollem Mund, bis dieser wutentbrannt das Lokal verliess. Was daran hätte komisch sein sollen, erschloss sich mir auch nicht, ausser dass einmal mehr fürs geneigte Publikum der Beweis erbracht war, dass die Dicken nimmersatte Zwangsfresser sind, darüber hinaus noch verlogen und frech.

Mit dem Fernsehen hatte ich diese Woche ohnehin eher Pech: auf dem bundesrätlich extra grossraumkonzessionierten Sender Tele Top war eine Medizinsendung zu sehen, deren Moderatorin so penetrant vor Unwissen und mangelder Ahnung strotzte, dass einem das Zusehen physische Übelkeit bereitete. Thema war das Magenband; die Dame plapperte unaufhörlich (und obwohl die Studiogäste es konsequent richtig formulierten) vom Magenbänding und vom Magenbändingbypass… und fragte regelmässig nach Dingen, welche ihre Gäste vorher im Gespräch schon längst beantwortet hatten. Es ist wohl richtig, dass dieser Sender in meinem Gerät so weit hinten programmiert ist, dass realistischerweise kaum die Gefahr besteht, dass man ihn zu Gesicht bekommt.