11/4 Von Klodeckeln
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 19:59 |
Er war ein Mann der direkten Rede, damals, unser Sportlehrer am Gymnasium. Die Legende ging, dass er einst auf Radio Beromünster eine Frühturn-Rubrik betreut habe, live, weil man noch keine Sendungen aufzeichnen konnte, so dass direkt auf den helvetischen Aether und in die geschockten Ohren gegangen sei, wie er seinem Publikum frohgemut zugerufen haben soll: Lüpfet öier Füdle! Worauf er seines Radiojobs verlustig ging.
In jenen Zeiten legte man noch Wert auf einen gepflegten Wortschatz. In Schule und Kindergarten war es verpönt, die Kleinen zum abhocken aufzufordern, gesessen musste werden, auch wenn der Volksmund als solcher weit authentischer sprach. Und dieser Lehrer war es auch, der beim Handball jeweils ins Schwärmen geriet, wenn einer unser Mitschüler, grossgewachsen und stark, den Ball von weit weg aufs gegnerische Tor schleuderte: Dr Blaser, sagte „Schöre“ Mischon anerkennend, Dr Blaser het Häng wie Schiissitechle! Warum preichsch de gopfertami nid!?
An den Vergleich der Handgrösse mit WC-Deckeln muss ich jedesmal denken, wenn ich – so wie heute wieder – mit einem solchen in physischen Konflikt gerate. Leider ist es eines der Probleme, mit denen zu kämpfen hat, wer nicht nur zu schwer ist, sondern wer deswegen in seiner rückwärtigen Partie auch etwas ausladender geraten ist. Jemand, dessen Hinterbacken sich nach allen Seiten raumverdrängend auswuchten, sobald man irgendwo absitzt.
Zur Seite hin geht es ja noch. Aber nach hinten trifft das geschwungene Heck auf den Widerstand des hochgeklappten Deckels. Nun waren diese Deckel vormals aus hartem Holz und mit eisernen Scharnieren im Porzellanrand der Kloschüssel verankert, so dass man es sich getrost bequem machen konnte. Aber heutzutage bestehen die Dinger in der Regel aus Plastic, und der gewichtige Sitzer hört, noch bevor er sein ganzes Gewicht auf der Brille ruhen lässt, einen verräterischen Knacks.
Zwei unterschiedliche Laute lassen erahnen, um welchen Klodeckel-Typ es sich handelt: Da ist das weiche Blobb, mit dem sich der Deckel von einer Nute löst, auf die er mit zwei offenen Klammern aufgesteckt war. Dies ist das angenehme System, das man hinterher mit einem gleichen Laut sanft wieder andrücken kann, so dass keiner was merkt. – Das zweite System ist tückischer. Hier ist der Deckel mit zwei Plastik-Dornen seitlich in eine Achse eingefügt, die unter dem Druck entweder mit trockenem Knack abbrechen oder sich so verbiegen, dass sie beim Versuch, sie wieder einzuklicken, definitiv zu Bruch gehen.
Dies sind die Lokalitäten, aus denen ich mich diskret davonstehle, den Kollateralschaden meiner Erleichterung dadurch vertuschend, dass ich den Deckel passgenau auf die Brille lege und hoffe, der nächste Kunde warte, bis ich das Haus verlassen habe.
Einmal (bis jetzt) hat mich das Malheur im SBB-Zug ereilt. Dort sind die Kabäuschen und die WC-Trichterlein ohnehin so weit miniaturisiert, dass man sie als sanitäre Prototypen für eine Weltraumstation halten könnte.. mit lautem Knall zerbarst hinter mir der untere Deckelrand aus hartem Kunststoff, und ich war heilfroh, dass ich mir keine Verletzung zugezogen hatte. Zu meiner Beruhigung redete ich mir ein, das Ding sei bereits gesprungen gewesen, denn so etwas war mir auf meinen vielen Zugsreisen vorher noch nie passiert, nicht einmal im Flugzeug.