19/11  Masshalten

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:13

Mein Kollege rümpfte die Nase. Mit Grund. Denn unser Hotel lag nah beim Bahnhof und der Lärm, unten aus der Bar, war deutlich zu hören. Auch hatte man uns nicht die besten Zimmer zugeteilt, denn wir kamen in den Genuss eines vergünstigten Spezialtarifs für Nonprofit-Organisationen. Was aber happig war: fürs Frühstück gab es einen Gutschein. Darauf war ausdrücklich erwähnt, wozu er berechtigte und wozu nicht. Es war verboten, sich am üppigen Buffet nach Belieben zu bedienen. Der Gutschein galt für eine Tasse Kaffee, ein Glas O-Saft, ein Brötchen, ein Croissant, eine Portion Butter und etwas Konfitüre.

Nichts war mit Eierspeisen, gebratenem Speck, Käseplatten, Aufschnitt, Wurstwaren, Schinken und Bündnerfleisch, nichts mit Fruchtsalat, Cerealien, Joghurts und den speziellen Süssgebäcken, auch nichts mit dem Lachs… – Mein Kollege hatte kurzerhand das Lokal gewechselt, dafür dann wohl auch mehr bezahlt. – Ich habe grotzdem gut geschlafen, die Matratze war perfekt, das Duvet angenehm, die Dusche zwar etwas eng – aber das war nicht ihr Problem sondern meins.

Und als ich am Morgen beim Frühstück sass, die Butter vorsichtig mit der Messerspitze portionierte und an der einen Kaffeetasse nippte, da fand ich es plötzlich sehr verdienstvoll, dass die Voucher-Regelung mich daran gehindert hatte, in das alte Frühstücksbuffet-Jäger-und-Sammler-Schema zu verfallen und hemmungslos zuzuschlagen, weil es doch da war und weil man ja dafür bezahlt hatte, also ein legitimer Anspruch darauf bestand, soviel abzuräumen, wie man konnte…

Ich erinnerte mich an die Horden russischer Touristen, die ich im Berner Oberland angetroffen hatte, die sich am Buffet Berge von Würstchen und Rührei auf die Teller geschaufelt hatten, bloss um diese dann an den Tischen stehen zu lassen. Da lobte ich mir die – wenn auch unfreiwillige – Erziehung zum Masshalten.