11/12  Der Fünfliber

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:07

Europa hat entschieden in einem exemplarischen Fall. Der französische Lebensmittelkonzern Danone darf in der Webung nicht mehr sagen, sein Joghurt-Drinklein Actimel sei gut für die Verdauung. Langsam wird die süsslich-milchige Flüssigkeit ganz schön entzaubert. Dem Wetterfrosch hilft sie offenbar auch nicht, vor Gericht glimpflich davon zu kommen.

Überhaupt: die Probiotik verfolgt uns auf Schritt und Tritt. Da gibt es diese Werbung. Zwei Frauen im Längsschnitt von der Seite. Beide haben kleine Wölklein in den Därmen, welche die Bauchwand nach vorne ausbuchten: typische Blähbäuche! Bis vor kurzem kannten wir die lebernsbedrohliche Blähung von Leibern nur im Zusammenhang mit dem lieben Vieh, wenn die Silage falsch gefüttert wurde und der Gärungsprozess den Kuhbauch bis zum Platzen aufgepumpt hatte… dann musste der Tierarzt mit einem beherzten Stich dem Überdruck Ablass verschaffen – und die Kuh war gerettet.

Wir Zweibeiner, wenn es in unserem Gedärme gasig rumorte, sahen uns mit dem Problem konfrontiert, den Druck möglichst diskret entweichen zu lassen: im Sitzen durch das vorsichtige Anheben einer Backe, verbunden mit dem bekannten Blick in die Ferne… Und wenn dann doch ein flatulierendes Geräusch zu hören war, nahmen wir Zuflucht bei den Weisheiten Salomos, der gesagt haben soll, dass die Lauten gar nicht riechen würden, im Unterschied zu den fürchterlichen Leisen…

Diese Körpergeräusche waren früher noch Signale des Wohlbefindens. Von Luther als Zeichen dafür gedeutet, dass einem das Essen geschmacket hatte. Und überdies, das galt in unserer Jugend als Faustregel, war jeder Furz dem Doktor einen Fünfliber abgespart. Ich weiss nicht, wie sich das nach Tarmed-Punkten berechnen würde. Heute will uns die Lebensmittelindustrie einreden, Blähungen seien eine Krankheit, die möglichst vorbeugend bekämpft werden müsse. Gut, dass Brüssel diesem Unsinn einen Riegel geschoben hat.