1/4  Der Geruch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:45

Manchmal, am Freitag, zieht in unserem Bürokomplex ein penetranter Geruch durch die Gänge, der etwas ausströmt, das sich lähmend auf alle Geschmacksknospen legt, als müssten sie für den Rest des Jahres versiegelt werden. Es ist ein abgestanden-fettiger, öliger Gestank, schwerfällig und klebrig. Er scheint inzwischen schon im Farbantsrich der Wände zu hocken und man hat das Gefühl, diese seien von einem schmierigen gelben Film überzogen.

Da unser Büro zuhinters im Gang liegt, muss durch diesen Geruch waten, wer von draussen herein kommt oder die Toilettenanlage im Eingangsbereich benutzt hat. Ist dies kurz vor Mittag der Fall, geht jeder Appetit auf eine vernünftige Mahlzeit verloren. Ich habe mich schon gefragt, ob es technisch wohl machbar wäre, dieses Parfüm in eine Flasche zu ziehen, um sich jeweils vor dem Essen damit zu besprayen. Das wäre ein potentes Mittel gegen übertriebene Nahrungsaufnahme und konnte als sicheres Schlankheits-Präparat verkauft werden…

Dann wird mir wieder bewusst, dass es sich bei der Sache um den Geruch handelt, der aus der kleinen Küche vorne bei der Kindertagesstätte strömt. Dort werden gelegentlich am Freitag Fischstäbchen gebraten. Die Kleinen mögen das. Zum Glück kommt gegen Abend die Putzfrau mit dem Kopftuch. Sie verwendet ein ätzend scharfes, synthetisches Zitrusprodukt, dessen giftiger Dunst bis am Montag den letzten Rest der Fischstäbchen-Fettschwaden beseitigt haben wird. Dann atmen wir wieder durch.