12/5  Cassis aus Dijon

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 23:43

Heute gab es eine Fachtagung der Ernährungsleute. Thema war eine erste Bilanz der Auswirkungen des Cassis de Dijon-Prinzips, das seit letztem Juli in der Schweiz eingeführt ist. In den Medien waren vorgängig kritisch-abschätzige Schlagzeilen zu lesen. Die Import-Neuerung hätte unter dem Strich wenig gebracht, ja sogar zu Verunsicherung und zu einer qualitativen Verschlechterung gewisser Angebote geführt.

Nach zwei einführenden Referaten aus der Sicht der Behörden (das Bundesamt für Gesundheit muss die Bewilligung für bestimmt Produkte-Gattungen erteilen) und aus Sicht der Grossverteiler (Coop) durfte ich eine Diskussion mit den Referentinnen leiten, an der sich auch ein Vertreter des Bauernverbandes und eine Repräsentantin einer Komnsumenten-Organisation beteiligten. Das waren denn auch die kritischen Stimmen, die sich Gehör verschafften.

Tatsächlich kann mit „CdD“-Produkten noch kein Staat gemacht werden. Etwas über 80 Anmeldungen auf Zulassung wurden eingereicht, etwas über 20 sind bis jetzt bewilligt worden, konkret in den Regalen anzutreffen sind bloss deren etwa drei, und auch die nicht überall im Land…

Stein des hauptsächlichen Anstosses ist es, dass die gesetzliche Regelung es erlaubt – unter der Begründung, dass inländische Produzenten nicht benachteiligt werden dürften – dass neu in der Schweiz auch Lebensmittel hergestellt werden können, die nicht mehr den Anforderungen des Schweizer Lebensmittelrechts entsprechen, sondern die nur noch die Kriterien für ein ausländisches Produkt erfüllen müssen, sofern ein vergleichbares bereits zugelassen wurde.

Ein Beispiel ist der Himbeersirup. Nach Schweizer Recht muss Sirup mindestens 30 Prozent Fruchtsaft enthalten, um zum Verkauf zugelassen zu werden. In Frankreich gibt es den Sirup schon ab 10 Prozent. Nun hat die Migros statt französischen Sirup zu importieren, selber welchen mit 10 Prozent hergestellt, den sie dann etwas günstiger verkaufen kann… Oder Model-Schinken aus dem Ausland darf mehr Wasser enthalten als ein vergleichbares Schweizer Produkt…

Werden die Konsumenten damit getäuscht? Sind Produkte, die im Ausland verkauft werden, gesundheitsschädigend? Muss der Schweizer Kunde vor Gefahren bewahrt werden oder darf man ihm zumuten, selber herauszufinden, was ihm mehr zusagt: günstigere Preise oder bessere Qualität? – Die Standpunkte liessen sich nicht vereinen. Das Publikum war tendenziell eher kritisch. Die aktuelle Situation wirft noch zu viele Fragen auf. Sie muss allenfalls politisch nachgebessert werden.