6/9  Der Staat greift durch

Kategorie: Allgemein    Von Heinrich von Grünigen um 18:29

Eine bizarre Geschichte war das, gestern im Blatt mit den grossen Buchstaben. Man habe einer Familie ihre dicken Kinder zwangsweise weggenommen, stand im Aushang. Und da es nicht hiess, wo das war, musste man die Zeitung kaufen, um herauszufinden, dass sich das Drama in Schottland abgespielt hatte.

Eine Familie mit sieben zum Teil stark übergewichtigen Kindern wurde vom Jugendamt verwarnt, sie müsse dafür sorgen, dass die Kids abnehmen, sonst würde man sie ihr wegnehmen. Zwei Jahre lang, heisst es, habe ein Vertreter des Amtes beobachtet, was und wieviel die Kinder assen… aber sie nahmen nicht ab. Als das Ultimatum verstrichen war, schlug die Polizei zu, führte die Kinder ab und dem Jugendamt zu. Die kleineren seien zur Adoption freigegeben worden.

Eine drakonische Massnahme, die Empörung und Auflehnung auslöst: wie herzlos kann ein Staat nur sein, um so eine Massnahme durchzusetzen! Allerdings gab es keine weiteren Informationen über Hintergründe und Details, nichts zur Vorgeschichte und wenig zur Hilfe – falls eine solche der leidgeprüften Familie überhaupt angeboten worden war.

Dafür gab es eine Abstimmung. Das Lesevolk konnte per Voting darüber befinden, ob a) der Staat nicht hätte eingreifen dürfen, weil ihn das nichts angeht, oder b) die Massnahme richtig war, um künftige Gesundheitsosten zu sparen, oder c) um den Unmut kund zu tun, dass nun nach den Rauchern die Esser „drankommen“.

Das Resultat der Abstimmung ist aufschlussreich: 28% – also fast ein Drittel – finden die Massnahme gerechtfertigt und ok. – Ein weiteres Drittel (29%) ärgern sich darüber, dass nun die Esser an die Kasse kommen, und 43% lehnen Aktion des Staates ab, weil der sich hier nicht einzumischen habe.

Das ist ein mehrdeutiger Befund, der verschiedene Interpretationen zulässt. Natürlich geht es den Staat sehr wohl etwas an, ob seine Bürger sich gesund ernähren können und dies auch tun, denn er ist für Ihr Wohlergehen mitverantwortlich. Allerdings dürfte eine derartige Massnahme – auch wenn sie abschreckenden Chrakter haben könnte – kaum geeignet sein, ein Umdenken zu bewirken. Insofern ist auch die Haltung derer, die diese Aktion begrüssen, menschenverachtend und schändlich.

Ich kann auf die Schnelle nicht sagen, was richtigerweise zu tun gewesen wäre… man hätte der Familie eine aufbauende, begleitende Hilfe anbieten müssen, anstatt sie einfach mit einem Ultimatum zu konfrontieren. Die Geschichte zeigt eines deutlich auf: wie gering das Prestige ist, das übergewichtige Menschen heute in der Öffentlichkeit noch geniessen.