17/11 Gute Fügung
Kategorie: Allgemein Von Heinrich von Grünigen um 22:38 |
Wenn wir als Kinder in den Ferien „ins Thurgau“ reisen durften, was das immer ein Ereignis, das lange im voraus geplant werden musste. Es gab weder Autobahn noch Taktfahrplan, man war den ganzen Tag unterwegs auf den harten Holzbänken der dritten Klasse, und die letzte halbe Stunde galt es von der Postauto-Haltestelle zu Fuss bergauf durch den Wald zu gehen. Die ländliche Welt war damals – so wie wir sie wahrnahmen – noch heil und intakt.
Meine Mutter versäumte es nie, vorher einen günstigen Ballen Stoff einzukaufen, aus dem sie sich dann von der Dorf-Schneiderin ein Kleid anfertigen liess. Die Schneiders waren fromme Leute, sonntags luden sie die Kinder aus dem Dorf zur Sonntagsschule, und da der Schneidermeister von Amtes wegen eine grosse Schere hatte, schnitt er uns bei Gelegenheit für zwanzig Rappen auch gerade noch die Haare.
Meine Mutter aber kaufte in der Regel ihre Stoffe knapp bemessen ein, so dass die Schneidersfrau meistens Mühe hatte, alle Schnittmuster optimal auf dem Tuch auszulegen. Da gab es ein vertrautes Ritual. Wenn sie keinen Ausweg mehr wusste, legte sie Schere, Kreide und auch Brille ab, setzte sich auf ihren Hocker und legte die gefalteten Hände in den Schoss. Mit einem kurzen Stossgebet bat sie den Allmächtigen um Hilfe und Erleuchtung… und siehe da: wenn sie die Brille wieder aufsetzte, fügte sie mit leichter Hand die Papiervorlagen neu auf dem Stoff zurecht – und plötzlich ging das Puzzle auf!
Dieser Vorgang hat uns jedes Mal von neuem beeindruckt. – Ähnlich (wenn auch ohne Stossgebet) ist es mir heute ergangen. Den halben Nachmittag verbrachte ich damit, für das nächste Magazin unserer Stiftung ein gutes Layout auszutüfteln, so dass die verschiedenen Artikel nicht nur in einem sinnvollen thematischen Ablauf stünden, sondern auch optisch mit den Bildern einen einheitlichen Anblick böten… Es wollte und wollte nicht gelingen!
Da legte ich die Schreibwerkzeuge weg, schlürfte einen Espresso, streckte mich und vertrat mir kurz die Beine… Dann verschob ich in der Maquette ein Inserat auf eine andere Seite – und siehe da! Plötzlich schienen alle Texte in der gewünschten Reihenfolge in den verbleibenden Raum zu passen und in wenigen Minuten war die Aufgabe gelöst. Auch wenn wir für einen so trivialen Vorgang den Weltenlenker nicht bemühen wollen, so hat sich doch am Ende alles „gut gefügt“. Ich hoffe, dass die Umsetzung durch unsere professionelle Gestalterin ebenso gut klappen wird. Mitte Dezember kommt das Heft heraus.